Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Sie sprang so abrupt auf, dass ihr langes Haar um 263
ihren schlanken Körper wehte wie ein Umhang, und lief barfuß zur Badezimmertür.
Jacques schlüpfte in ein Paar Jeans, knöpfte sie nachlässig zu und ging Shea nach. Seine Augen ruhten unverwandt auf ihrer schlanken, grazilen Gestalt. Shea sah aus, als könnte ein Windhauch sie umblasen. Sie beschäftigte sich mit typisch menschlichen Dingen: Zähne putzen, unter der Dusche stehen, aus dem Fenster schauen. Jacques hielt die geistige Verbindung so behutsam aufrecht, dass sie sich dessen nicht bewusst war. Ihre Furcht legte sich durch ihre menschlichen Aktivitäten nicht. Stattdessen nahm ihre Panik überwältigende Ausmaße an. Jacques lehnte sich mit einer Hüfte an die Wand, beobachtete sie ruhig aus seinen dunklen Augen und wartete auf das Unvermeidliche.
»Ich kann das nicht, Jacques.« Ihre Stimme war so leise, dass er sie kaum hören konnte. Mit zitternden Händen zog Shea Jeans, ein T-Shirt und Wanderstiefel an. Sie schaute nicht in seine Richtung.
Jacques, der ihre Verwirrung und Furcht spürte, wartete schweigend. Er hätte sie gern getröstet, hielt sich aber instinktiv zurück. Shea war eine starke Persönlichkeit und mutig genug, um zu einem Verrückten zurückzukehren, der sie bösartig attackiert hatte, und ihn zu retten. Aber der Gedanke, Jacques zu lieben, ihn zu begehren oder zu brauchen, ängstigte sie.
»Ich muss weg von hier, zurück nach Irland. Ich habe dort ein Zuhause.« Shea flocht ihr volles rotes Haar zu einem dicken, losen Zopf. Ihr Blick schoss vom Fenster über ihren Computer zur Tür und wieder zurück.
Überall hin, nur nicht zu ihm. »Du hast jetzt deine Freunde und Verwandten hier und bist bei ihnen gut 264
aufgehoben. Du brauchst mich nicht mehr.«
Jetzt bewegte er sich nach der Art seines Volkes: lautlos, unmerklich, zu schnell für das menschliche Auge. Plötzlich war er hinter ihr, drückte sich an sie und stemmte seine Hände links und rechts von ihrem Kopf an die Wand, sodass sie praktisch gefangen war. Dann beugte er sich vor, bis sein männlicher Geruch in ihre Lungen drang, bis er die Luft selbst war, die sie einatmete. »Ich werde dich immer brauchen, Shea. Du bist mein Herz und meine Seele. Du machst meinen Geist gesund. Es ist lange her, seit ich in Irland war. Ein schönes Land.«
Er fühlte, wie sie scharf den Atem einsog, um Luft rang und gegen ein Gefühl des Erstickens ankämpfte. In ihrem Kopf formte sich vager Protest gegen seine Worte.
Sie suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, ihn zu überreden. Nicht nur äußerlich, auch innerlich bebte sie.
Jacques konnte ihre Angst förmlich riechen.
Shea verschränkte die Arme auf dem Bauch, um den Aufrühr in ihrem Inneren zu beschwichtigen. »Hör zu, Jacques, das h i er. . . « Sie machte eine unbestimmte Handbewegung und drehte sich dann um, um sich an die Wand zu lehnen. Es war ein Fehler, ihn anzuschauen.
Seinen harten, muskulösen Körper, seine sinnlichen, immer noch von Schmerzen gezeichneten Züge, die Intensität in seinen schwarzen Augen. Den Hunger. Das Verlangen. Sie hob den Kopf und sah ihn an, und ihr Kummer war ihr so deutlich anzusehen, dass er sie am liebsten in die Arme genommen hätte. Aber es war wichtig für sie, das Gefühl zu haben, dass sie die Situation im Griff hatte.
Jacques unterdrückte seine dominante Natur und 265
verhielt sich völlig still.
Shea räusperte sich und nahm noch einmal Anlauf.
»Es kann unmöglich funktionieren. Ich habe Verpflichtungen. Ich kann mir im Moment eine Beziehung nicht leisten. Und du suchst etwas Starkes, Leidenschaftliches, etwas, das für immer ist, die endgültige Bindung. Ich bin einfach nicht so. Ich habe anderen nicht viel zu geben.« Ihre Finger verschlangen sich nervös ineinander, und er spürte, wie sein Herz auf diese rührende Geste reagierte. Das Lächeln über den Unsinn, den sie redete, fand nicht den Weg zu seinem Gesicht, sondern blieb tief in seinem Innersten.
Shea hatte eine leidenschaftliche Natur, und sie begehrte ihn genauso, wie er sie begehrte. Das wusste sie, und es machte ihr Angst. Mehr als alles andere war es dieses Wissen, das sie dazu trieb, vor ihm wegzulaufen.
Sie hatte sich beigebracht, allein durchzukommen, und hatte keine Ahnung, wie es war, sein Leben mit einem anderen zu teilen. Und sie wollte nie so werden wie ihre Mutter.
»Hörst du mir überhaupt zu, Jacques?«
Er trat näher und zog sie fest an sich. »Natürlich höre ich dir zu. Ich
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