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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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mutmaßte ein anderer.
    »Schaud doch bloß hie, wie der läffd! Der läffd doch wie unser ehemalicher zweider Burchermasder vo der CSU«, behauptete dagegen ein dorfbekanntes SPD-Mitglied, »als wenner in die Huusn gschissn hädd.«
    Trotz aller Mutmaßungen, die Vaterschaft konnte nie zweifelsfrei geklärt werden. Das störte den kleinen Toni aber in keinster Weise. Mit fünf Jahren war er kräftiger als die anderen gleichaltrigen Buben. Bereits im Kindergarten begann er, die anderen Kinder zu verprügeln. Wer sein Freund sein wollte, musste Süßigkeiten, Pausenbrote oder Getränke abdrücken. Ab und zu waren auch mal 50 Pfennige darunter. Den Mädchen griff er unter den Rock und zwickte sie in ihre mageren Hintern. Beschwerden vieler Eltern brachten nichts ein.
    Später, in der Schule, waren ihm Hausaufgaben ein Gräuel. Wertvoll vertane Zeit. Warum sich über uninteressante Dinge selbst den Kopf zerbrechen, wenn andere dies bereits getan hatten? Er wurde Meister im Abschreiben. Als er 14 war, erkrankte seine Mutter an einer schweren Lungenentzündung. Gott sei Dank nichts Lebensbedrohendes, aber die Genesung zog sich wochenlang hin. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr. Dann fing sie zu trinken an. Am Anfang eine viertel Flasche Wodka pro Tag, mit Coca Cola gemischt. In der nächsten Stufe ließ sie die Cola weg. Nach einem Jahr trank sie eine Flasche Wodka pro Tag – ohne Cola. Fremde Männer, die Toni vorher noch nie gesehen hatte, gingen zuhause ein und aus. Mit sechzehn Jahren verprügelte er einen der Freier, der mit seiner Mutter in Streit geraten war, und zertrümmerte ihm das Nasenbein.
    In der Schule lavierte er sich von Klasse zu Klasse gerade so durch und schaffte mit einem miserablen Notendurchschnitt wider Erwarten das Abitur. Man munkelte, die Lehrer wollten ihn endlich los haben.
    Kaum zwanzig Jahre alt, verpflichtete sich der Anton für zwei Jahre bei der Bundeswehr. Hemau in der Oberpfalz wurde zu seiner zweiten Heimat. Im dortigen IV. Raketenartilleriebataillon absolvierte er seine Grundausbildung. »Zapfenstreich« war für ihn sehr bald ein Fremdwort. Häufig kehrte er sturzbetrunken erst am frühen Morgen in die Kaserne zurück.
    »Mensch, Wellein, kneifen Sie Ihre Arschbacken zusammen, dass ein Fünfmarkstück die Prägung verliert!«, schrie ihn der Spieß beim Morgenappell an und verhängte ein weiteres Wochenendausgehverbot.
    Toni wurde auffällig oft zum Wachdienst am Wochenende eingeteilt. Doch das machte ihm nichts aus. Bei den Märschen nahmen ihn seine Vorgesetzten besonders hart ran. Ständig musste er das schwere MG oder die Panzerfaust tragen. »Was mi ned umbringd, machd mi bloß nu härder«, pflegte er zu sagen, wenn mal wieder eine Disziplinarstrafe gegen ihn verhängt wurde.
    Zwei Jahre gingen schnell vorbei. Toni Wellein war immer noch Gefreiter. Als er sich zwei weitere Jahre verpflichten wollte, wurde sein Gesuch abgelehnt.
    Mit zweiundzwanzig kehrte Toni Wellein nach Röttenbach zurück und absolvierte eine dreijährige Ausbildung zum Lebensmittelkaufmann. Die Prüfung schaffte er – wieder einmal– mit Ach und Krach.
    Johann Geldmacher, seinerzeit stellvertretender Leiter der FORMA-Filiale Röttenbach, stellte ihn trotz einiger Bedenken ein. Für Büroarbeit war der junge Mann nicht geeignet. Das stellte sich sehr bald heraus. Aber für Lagerarbeiten. Toni wurde zum Gabelstaplerfahrer ausgebildet und als Lagerist eingesetzt. Kräftig genug war er ja, um schwere Paletten aus dem Lager zu ziehen, Regale einzuräumen oder beim Be- und Entladen von Lkws mitzuhelfen.
    So vergingen die Jahre, ohne dass sich Grundlegendes im Berufsleben des Toni Wellein änderte.
    Nach dem Motto »Dees bisserla, wassi ess, kanni aa dringn« war Toni bald in allen bekannten Stammtischen vertreten und wurde ein Meister des Schafkopfspiels. »Raus mid der Bumbl!«, »Was lichd, dees bichd!«, »Der Alde schdichd immer«, »Kondra, do haui an drauf«, Warum hasd ned gschmierd, Debb?«, »Geh naus, waschder dei Händ«, »Du sollesd a amol nach Weinzierlein in die Kardlschul geh«, waren Ausdrücke, die er aus dem Effeff beherrschte.
    Bei Kirchweihfesten der näheren und ferneren Umgebung war er stets vertreten. Hatte er einen gewissen Alkoholpegel erreicht, wurde er meist aggressiv und provozierend. »Was schausdn mi su bleed oh, wie aa Mondkalb?« »Soll’er der aane auf deine Lichder haua, dassd dengsd du bisd in an Määdrescher nei kumma?« »Geh na her Bärschla, wennsd di drausd!«, reizte er

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