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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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friedliche Kirchweihgäste, »iech schmeiss di an die Wänd, dassd babbn blabsd!«
    Was die holde Weiblichkeit anbelangte, nun damit hatte der Toni, selbst in seiner Sturm- und Drangzeit, nichts so Rechtes am Hut. Er war keineswegs schwul. Er wollte einfach nur seine Freiheit genießen. So erlaubte er sich nur gelegentliche »One-Night-Stands«. Die »Damen«, die sich mit Toni Wellein einließen, kamen auch nicht gerade aus der »High Society«. Was die Trinkfestigkeit anging, standen sie ihm in keinen Belangen nach. Der Kater, das gemeinsame Erwachen am nächsten Tag und die fehlenden Erinnerungen an die vergangene Nacht, trugen nicht immer zur gegenseitigen Belustigungen bei.
    »He, Alde, wie kummsdn du in mei Bedd? Wer haddn diech eigloodn? Iech muss ja ganz schee bsuffn gwesen sei! Schwing amol dein Orsch aus meim Bett und dann schausd, dass di schleichsd! Abber a wenig bledsli!«
    »Halds Maul, alder Bogg! Budz der erschd amol dei Zee bevorsd mid mir redsd! Du schdingsd aus deiner Goschn, wie a ganze Schnabbsbrennerei und dei Bruchbuudn schaud aus, als ob a Bombn neigschloogn hädd. Do hälds ned amol a Sau lang aus.«
    Einer weiteren Leidenschaft frönte der FORMA-Lagerist: dem Lottospiel. Wenn ihn frühmorgens der Kopf vom Schnaps der letzten Nacht dröhnte und ihm die konsumierten Zigaretten des Vortages ein Husten und Würgen abverlangten, als würde der Röttenbacher Storch seine Jungen füttern, träumte er oft davon, dass er den Jackpot abgeräumt hatte. Dann sah er sich in Gedanken in einer Hängematte auf den Bahamas liegen. Er winkte mit dem kleinen Finger eine atemberaubende, schokoladenbraune Schönheit herbei, die ihm mit einem überdimensionalen Fächer Frischluft zufächelte und ihm eine geöffnete Kokosnuss mit einem gehörigen Schuss Bacardi kredenzte.
    Toni spielte immer die gleichen Zahlen: 2, weil er im Februar geboren wurde. 4, weil er schon immer ein treuer Fan von Schalke 04 war. 16, weil er in diesem jungen Alter mit der dicken Anna, die keiner wollte, weil sie Pickel auf dem Arsch und Oberschenkel wie ein Baumstamm hatte, seine ersten Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht gemacht hatte. 20, weil er es in seinen besten Zeiten tatsächlich mal geschafft hatte, an einem Abend einen ganzen Kasten Bier leer zu trinken. 30, weil er mit dreißig den berüchtigtsten Schläger der Nachbargemeinde Hemhofen herausgefordert hatte und ihn mit einer Zaunlatte dermaßen verdrosch, dass ihm am Ende drei Zähne fehlten und das linke Ohr in Fetzen herab hing. 49, weil er in diesem Alter so viel Geld gescheffelt haben wollte, dass er sich um seine Zukunft keine finanziellen Sorgen mehr machen musste. Er war überzeugt, auf dem besten Weg dahin zu sein.
    Vor etwas über drei Jahren begann seine Glückssträhne, als er beim Lotto eine Fünf mit Zusatzzahl hatte. Die Quote erbrachte einen Gewinn von 79.585,90 Euro. »Edzbaggmers!«, sprach er sich selbst Mut zu, kündigte seinen Job und buchte eine Weltreise. Er besuchte Dubai, Bombay, Bangkok, Singapur, Bali und Hongkong, bevor er in Schanghai hängen blieb. Mitnichten hatte er geplant aus Deutschland auszuwandern. Aber es kam eben ganz anders, als ursprünglich vorgesehen. In der chinesischen Wirtschaftsmetropole besuchte er seinen alten Spezi seinen ehemaligen Schulkameraden Hans Welker aus Herzogenaurach. Der lebte schon viele Jahre in Schanghai, war mit einer überaus hübschen Chinesin verheiratet und hatte in der Stadt Anting, wenige Kilometer außerhalb Schanghais, einen Bombenjob bei VW. Hansi war es schließlich auch, der Toni Wellein zum Bleiben überredete.
    »Mensch, Toni, in Kiena kannsd aus Scheiße Geld machn. Die Kienesn suchn ieberall ausländisches No-Hau. Schau miech oh! Mier gehd’s viel besser als in Deidschland. Wennsd willsd, kanner der beschdimmd an Dschobb besorgn. Und Waggerli laafn do rum! Schau mei Wang Mei oh! Die sen alle scharf auf Ausländer. Die ham ka Migräne, wennsd amol was vo deene willsd. Im Gegendeil, die freia si, wenns amol widder die Baa braad machen derfn. Deidsche Männer schdehn do ganz obn auf der Wunschlisdn. Hier in Kieena is nix mid Emanzibazion, odder wie der Scheiß haßd. ›Dschörmeni is ä gud candri‹ sagn die.« »Blab doch doo«, lockte der Hansi weiter, »ieberzeich di selber!«
    Und so kam es! Weit draußen im Westen der chinesischen Großstadt, dort, wo viele Ausländer in eleganten Wohnanlagen, den sogenannten »compounds«, wohnten, eröffnete 2009 die französische Carrefour -

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