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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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beide Männer zu Fall, bekam jedoch, als sie zu Boden gingen, Rauberts Hinterkopf an die rechte Schläfe und torkelte über den Parkplatz. Am Boden ließ Raubert von Wallner ab. Der kleine Mann war behende und schon wieder auf den Beinen, als Wallner noch auf den Knien nach seiner Brille suchte. Raubert nutzte seinen Vorsprung für einen Tritt gegen die linke Kommissarsniere, Wallner stöhnte auf und sank vor Schmerz benommen auf die Seite. Raubert huschte den Wagen entlang zur Fahrerkabine. Dort trat ihm Vera in den Weg, das linke Bein vorgestellt, die linke Handfläche abwehrend nach vorn gestreckt. Raubert ignorierte das Signal und setzte seinen Weg zum Führerhaus fort, bereit, die Frau nötigenfalls mit Gewalt aus dem Weg zu schaffen. Veras rechte Hand, bis jetzt hinten in Reserve gehalten, schnellte vor, rasanter, als Raubert schauen konnte, ein Knacksen, und ihr Handballen hatte sein Nasenbein gebrochen. Raubert rumpelte gegen seinen Lastwagen. Wallner und Kreuthner eilten, leidlich erholt, herbei, warfen sich auf den wankenden Mann und drückten ihn zu Boden. Der wehrte sich und zappelte trotz blutender Nase. Sie mussten ihn zu zweit bändigen und sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Gnom werfen, um seine Hände auf den Rücken zu biegen.
    »Holst du bitte das Ladekabel aus dem Kofferraum?«, sagte Wallner vor Anstrengung ächzend zu Vera.
    »Kommt ihr immer noch nicht alleine klar?«
    »Vielen Dank, Schatz, dass du uns geholfen hast. Aber es wäre super, wenn du das Maß der Güte übervoll machen und uns das verdammte Ladekabel bringen könntest.«
    Zwei Minuten später lag Kilian Raubert auf dem Bauch neben seinem Lkw . Die Hände waren auf dem Rücken mit einem roten Starthilfekabel zusammengebunden und solchermaßen daran gehindert, Wallner und Kreuthner weiteren Schaden zuzufügen. Die beiden klopften sich den Dreck von Händen und Kleidung. Kreuthner hatte ein blaues Auge, das er mit schmutzigem Schnee kühlte.
    »Ich hab dir gesagt, der macht Ärger«, sagte Kreuthner und trat Raubert unauffällig in die Rippen. »Das ist so ein nachtragender, kleiner Dreckhammel, der Bursche.« Kreuthner stellte seinen rechten Fuß auf Rauberts Rücken. »Glasscheibe! Du spinnst doch wohl. Das ist ewig her. Außerdem ist da nichts Unrechtes geschehen. Das war Brauchtum.«
    Raubert war offensichtlich nicht mit Kreuthners Ausführungen einverstanden, konnte das aber nur mit an menschliche Sprache nicht heranreichenden Mumpf-Lauten zum Ausdruck bringen. Kreuthner hatte im Kofferraum noch eine Rolle Gaffer-Tape gefunden.
    »Entschuldige, aber du stehst auf Herrn Rauberts Rücken.« Wallners Miene drückte keine übermäßige Missbilligung aus. Er hatte den Hinweis eher nebenbei fallenlassen, während er etwas in einen kleinen Computer tippte. »Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung, Straßenverkehrsgefährdung und noch ein paar Ordnungswidrigkeiten. Da kommt ja was zusammen.«
    »Da musst du dich aber nicht drum kümmern, oder?« Vera machte einen zunehmend ungeduldigen Eindruck.
    »Ich … na ja, ich bin natürlich Zeuge. Aber das hat sicher Zeit bis Dienstag.«
    »Das will ich mal hoffen.«
    »Aber natürlich, Schatz. Wir fahren jetzt an den Gardasee.« Er gab Vera einen Kuss.
    »Also, Leo. Bringen wir’s hinter uns.« Wallner gab Kreuthner ein Zeichen, den Laderaum zu besichtigen.
    »Ja, schauen wir uns gründlich den Laderaum an! Deswegen der ganze Scheiß!« Kreuthner schüttelte fassungslos den Kopf, während er die Tür aufzog.
    »Ich würde eher sagen, weil ihr zwei Hornochsen unbedingt Autorennen fahren müsst«, sagte Wallner und wurde sichtlich ungehalten. »Wenn da nicht zufällig diese Parkplatzeinfahrt gewesen wär, dann würden sie uns jetzt alle vier aus unseren Autos kratzen.«
    Kreuthner sagte nichts. Er sah so aus, als hätte er etwas erwidern wollen, sei jedoch just in jenem Augenblick schockgefroren worden, der Mund offen, eine Hand halb erhoben. Sein starrer Blick wurde im Inneren des Lkw von etwas festgehalten. Etwas, das ihn von einer Sekunde auf die andere gelähmt, ihn zur Momentaufnahme seiner selbst gemacht hatte. Wallner wurde unruhig. Kreuthner hatte schon viel gesehen. Was vermochte einen wie ihn in diesen Zustand zu versetzen?
    »Was ist los?«, fragte Wallner.
    Kreuthner hörte ihn nicht.

Kapitel 3
    S ie sah aus wie ein riesiges Insekt. Eine Gottesanbeterin in menschlicher Größe. Die Frau im Laderaum des Lkw war auf Knie und Hände gestützt.

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