Kassandra Verschwörung
Alfa Romeo war in der Nacht zuvor in Croydon gestohlen worden. Wo sie den zweiten Wagen entwendet hatte, oder welche Marke es war, wusste niemand. Die Polizei war fieberhaft damit beschäftigt, alle sechsundvierzig Autodiebstähle zu überprüfen, die im Großraum London angezeigt worden waren. Elder hatte die Liste bei sich. Straßensperren waren errichtet worden, aber nur an den Hauptverkehrsstraßen – eine törichte und sinnlose Aktion, die nur durchgeführt wurde, damit es so aussah, als würde die Polizei irgendetwas tun, damit die Hexe nicht einfach so davonkam.
Na gut, Elder tat auch etwas. Nach seinem Gespräch mit Rose Pellengro hatte er sich sechs mögliche Orte notiert, sechs Orte, an die die Hexe ihren Vater womöglich bringen würde, bevor sie... bevor sie was? Ihn tötete? Würde ihr das reichen? Wie auch immer, Elder wusste, dass sie keine Zeit verlieren würde, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, also hatte er für die Erledigung seines Vorhabens auch keine Zeit zu verlieren.
Joyce Parry befand sich in einer Besprechung in ihrem Büro, als das Telefon summte. Sie nahm ab.
»Hallo?«
»Mrs. Parry? Ich bin’s, Barclay.«
»Hallo, Michael, Sind Sie immer noch in Brighton?«
»Ähm... ja.«
An seinem Ton erkannte sie, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«
»Es geht um Mr. Elder. Er ist mit meinem Auto abgehauen.«
»Wohin?«
»Das wissen wir nicht. Er hat gesagt, dass er irgendwas aus dem Wagen holen wolle...«
Joyce Parry stand auf und nahm das Telefon mit, das Gerät in der einen, den Hörer in der anderen Hand.
»Hat er mit der Handleserin gesprochen?«
»Ja.«
»Was hat er herausgefunden?«
»Hat er nicht gesagt.«
Parry stieß mit einem lauten Zischen die Luft aus.
»Tut mir leid«, sagte Barclay. Er klang niedergeschlagen.
»Hören Sie, Michael, gehen Sie zu der Handleserin. Finden Sie heraus, was sie ihm erzählt hat.« Sie starrte ihren Besucher an, als ob ihr erst in diesem Moment wieder einfiele, dass sie nicht allein war. »Warten Sie mal kurz«, sagte sie und klemmte sich den Hörer zwischen Hals und Schulter. »Elder«, erklärte sie ihrem Besucher. »Er ist mit Barclays Auto abgehauen.«
Greenleaf stand auf. »Wir brauchen eine Beschreibung des Wagens.« Er nahm ein Notizbuch und einen Stift aus seiner Tasche.
»Michael?«, sagte Parry in den Hörer. »Was für ein Auto fahren Sie?« Sie lauschte. »Einen weißen Ford Fiesta, in Ordnung. Und das Kennzeichen?« Barclay nannte es ihr, und sie wiederholte es für Greenleaf. »Gut«, fuhr sie fort. »Reden Sie mit Madame Wie-auch-immer-sie-heißt, und rufen Sie mich umgehend zurück.«
»Wird erledigt«, entgegnete Barclay. »Eine Sache noch. Ich wollte es schon die ganze Zeit danach fragen, und jetzt ist es mir wieder eingefallen. Was war Operation Silber...«
Doch Joyce Parry hatte die Verbindung bereits unterbrochen. Greenleaf nahm ihr den Hörer aus der Hand, tippte ein paar Nummern ein und wartete, dass sich jemand meldete.
»Inspector Greenleaf am Apparat«, sagte er. »Ich habe eine Fahndung nach einem Auto. Benachrichtigen Sie sämtliche Einsatzkräfte im Land. Wenn irgendjemand den Wagen sieht, möchte ich der Erste sein, der es erfährt. Haben Sie verstanden?«
Joyce Parry ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und rieb sich mit der Hand das Gesicht. Dominic, Dominic. Wo, zum Teufel, bist du? Und warum lernst du einfach nicht dazu?
Als Erstes fuhr er nach Salisbury, wo Jonathan Barker der Wahrsagerin zufolge das erste Mal die Hand von Marion Rose gehalten und sie auch geküsst hatte. Es war geschehen, als sie nach dem Besuch eines Chorkonzerts die Kathedrale verlassen hatten. Elder fuhr zu der Kathedrale, ging einmal um sie herum, stieg wieder ins Auto und kurvte zwanzig Minuten durch die Stadt, bevor er sein nächstes Ziel ansteuerte. Zweiter Halt: ein Hotel in Henley-on-Thames. Laut Pellengro war dies der Ort, an dem Marion und Barker sich zum ersten Mal geliebt hatten. Die Wahrsagerin konnte sich sogar an den Namen des Hotels erinnern.
»In meinem Geschäft ist ein gutes Gedächtnis hilfreich. Manchmal kommt ein Kunde nach zwei oder drei Jahren wieder. In solchen Fällen sollte man noch wissen, was man ihm gesagt hat.«
Er stellte das Auto auf dem Hotelparkplatz ab und überprüfte, ob eines der anderen dort stehenden Autos auf der Liste mit den gestohlenen Wagen stand. Fehlanzeige. Im Hotel herrschte reger Betrieb, doch von der Hexe keine Spur. Erschöpft hielt er an einem
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