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Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Roland rieb sich das Kinn. »Auf der Straße hat sich eine große Menge versammelt. Meinen Sie das?«
    »Menge!« rief Olaf mit schriller Stimme. »Es ist die Zusammenrottung eines Mobs!«
    »Aber weshalb? Was ist geschehen?«
    »Haben Sie noch nicht die Morgennachrichten gelesen?«
    »Ich bin gerade erst aufgewacht.«
    »Sehen Sie sich die Schlagzeilen an.«
    Der Roland betätigte einen Schalter und projizierte so einen Nachrichtenüberblick auf die Wand.
    »Großes Ewiges Prinzip!« brachte er hervor.
    »Genau.«
    Der Roland schwieg.
    »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Der Olaf.
    Der Roland dachte einen Augenblick nach. »Ich denke, irgend etwas müssen wir unternehmen.«
    »Es sieht ganz danach aus.«
    »Obwohl die Sache nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt.«
    »Wir müssen trotzdem etwas in die Wege leiten. Wir sind dafür verantwortlich.«
    »Auf irgendeine gräßliche Weise hat unsere Zivilisation versagt«, sagte Der Roland leise. »Die ganze Menschheit ist ein Fehlschlag.«
    »Wir können jetzt nicht über diese oder jene Mißerfolge diskutieren!« erwiderte Der Olaf scharf. »Jemand muß eine Erklärung abgeben, die Sache in die Hand nehmen!«
    »Hm«, murmelte Der Roland. »Ein guter Kanzler hätte nun die Gelegenheit, sich zu profilieren.«
    Der Olaf lachte spöttisch. »Claude Imish etwa? Lächerlich! Nein. Wir müssen uns selbst darum kümmern!«
    »Aber ich kann doch nicht die Entscheidungen des Aktuarius anfechten! Und genausowenig kann ich eintausendsiebenhundertzweiundsechzig Amarant einer Neueinstufung in Schwarm überantworten.«
    Der Olaf wandte den Kopf. »Hören Sie ihnen zu. Hören Sie, wie sie schreien?«
    Das dumpfe Rumoren der Massen nahm plötzlich eine andere akustische Qualität an: Es war nun ein Geräusch, das von hellen Obertönen durchdrungen war, dem Knurren von Tieren ähnlich.
    »Sie müssen etwas unternehmen!« rief Der Olaf aus.
    Der Roland straffte seine Gestalt. »In Ordnung. Ich gehe runter und spreche zu der Menge. Ich werde an ihre Vernunft appellieren … sie um Geduld bitten …«
    »Die Leute werden Sie in Stücke reißen.«
    »Wenn das so ist, verzichte ich besser auf die Ansprache. Sie werden diese Demonstration ohnehin bald satt haben und sich dann wieder ihrem Steigungswetteifer zuwenden.«
    »Und wenn dieser Wetteifer sinnlos geworden ist?«
    Der Roland ließ sich in einen Sessel sinken. »Weder Sie noch ich – noch irgend jemand anders – kann etwas an dieser Situation ändern. Ich spüre es – ich weiß, was dort draußen nun vor sich geht. Das Volk war wie gestautes Wasser – jetzt ist der Damm gebrochen, und die Fluten strömen heraus, bis der natürliche Stand wiederhergestellt ist.«
    »Aber … was haben die Leute vor?«
    »Wer weiß? Vielleicht wäre es angeraten, von nun an eine Waffe mitzunehmen, wenn man seine Wohnung verläßt.«
    »Sie sprechen von den Bürgern der Enklave, als seien es Barbaren!«
    »Die Barbaren und wir entstammen den gleichen Vorfahren. Unsere Unzivilisiertheit dauerte Hunderttausende von Jahren; die kulturelle Divergenz besteht erst seit einigen Jahrhunderten.«
    Die beiden Amarant musterten sich niedergedrückt und erschraken dann, als das Lärmen der Menge wieder lauter wurde.
     
2
     
    Die Ereignisse, die die aufgebrachten Massen in die Straßen von Clarges hatten hinausziehen lassen, stellten einen Höhepunkt der Industriellen Revolution dar, des Siegs über die Übel des zwanzigsten Jahrhunderts, das Malthusischen Chaos und auch die Kultur der Enklave Clarges selbst. Sie waren ein Resultat der Zivilisation und somit vorherbestimmt. Aber der unmittelbare Anlaß für den Aufruhr war die Erweiterung der Amarant-Gesellschaft um eintausendsiebenhundertzweiundsechzig neue Mitglieder.
    Die Information erreichte einen Aktuarius, wurde dort digitalisiert und anschließend verarbeitet. Selbst jene, die beim Aktuarius um Steigung wetteiferten, waren vom Ergebnis überrascht. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen den einzelnen Einstufungsphylen war eine konstante Größe und fand Ausdruck in einer Formel, die die gesamte Lebensspanne an Jahren für jeweils tausend Menschen mit einem gleichbleibenden Wert bezifferte. Zum Zwecke der Berechnungserleichterung wurde die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amarant mit 3000 Jahren angenommen, und daraus folgte eine ungefähre Phylenquotierung von 1 : 40 : 200 : 600 : 1200.
    Der Zuwachs um eintausendsiebenhundertzweiundsechzig neue Amarant hatte die althergebrachte Balance

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