Kat und der heissbluetige Spanier
Aber was war mit einem Elternpaar, das sich liebte und sich gemeinsam um das Wohl seines Kindes sorgte?
Gedankenverloren schüttelte Kat den Kopf, als könnte sie sich auf diese Weise auch von ihren quälenden Sorgen befreien, und merkte plötzlich, dass Carlos sie die ganze Zeit quer über den Tisch hinweg aufmerksam musterte.
„Du warst meilenweit von hier entfernt, Princesa “, sagte er sanft.
Dankbar für den schwachen Kerzenschein, der einen Großteil ihrer Emotionen verbarg, zuckte Kat gewollt lässig mit den Schultern. „Nun, es gibt ja auch eine Menge zu bedenken.“
„Und das lässt dich so trübsinnig dreinschauen?“
„Nur manchmal …“, versuchte sie auszuweichen, doch sein Blick ließ sie nicht los. Kat seufzte. „Du musst doch zugeben, dass die Situation, in der wir uns momentan befinden, nicht unbedingt als … ideal zu bezeichnen ist, oder?“
Nach einer langen Pause seufzte auch Carlos und entschied für sich, dass die Wahrheit auf Dauer besser und erträglicher war als jede fromme Lüge. „Nein, natürlich ist sie das nicht“, bestätigte er mit schwerer Stimme. „Aber was bringt es, darüber zu reden, solange noch nichts sicher ist? Ich dachte, wenigstens darüber wären wir uns einig.“
„Und genau darum habe ich dich ja auch nach deiner Karriere als Stierkämpfer gefragt“, erinnerte Kat ihn mit einem gewissen Trotz in der Stimme. „Es geht mir gar nicht darum, deine heilige Privatsphäre zu verletzen, ich will mich einfach nur mit dir unterhalten.“
Er starrte sie immer noch durchdringend an, und auf seiner dunklen Wange sah Kat einen Muskel zucken.
Bin ich wirklich dieser arrogante Tyrann, wie sie es mir immer wieder auf die eine oder andere Weise zu vermitteln versucht, fragte Carlos sich nicht zum ersten Mal, seit er Kat Balfour getroffen hatte. Verdammt! Keine Frau vor ihr hatte es je geschafft, seinen sorgfältig konstruierten Panzer auch nur anzukratzen!
Aber sollte Kat tatsächlich sein Kind unter dem Herzen tragen, hatte sie dann nicht auch ein gewisses Recht darauf, mehr über ihn zu wissen? Wahrscheinlich schon.
Aber wo anfangen?
Carlos lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute in den leise flackernden Kerzenschein. „Wir waren sehr arm“, begann er mit rauer Stimme. „Und ich meine wirklich arm. Meine Mutter hat rund um die Uhr gearbeitet, um uns zu ernähren, sodass ich sie kaum zu Gesicht bekommen habe, während ich aufwuchs.“
Sie erinnerte sich an seine zynischen Bemerkungen über verwöhnte, reiche Frauen und biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe. „Und dein Vater? Was war mit ihm?“
„Mein Vater?“ Carlos lachte hart auf. „Oh, mein Vater war viel zu beschäftigt mit seinem Traum, der beste Matador Spaniens zu werden, als dass er sich um irgendetwas anderes hätte kümmern können!“, erklärte er abfällig.
„Dann war er also auch Stierkämpfer?“
„Bis zu einem Unfall in der Arena, der ihn einen Arm kostete, wobei der größere Verlust für ihn das Ende seines Traums bedeutete. Eine Zeit lang war er ein gebrochener Mann, bis ihm der Gedanke kam, seine zerstörten Ambitionen über seinen Sohn auszuleben. Ein Plan, den er dann auch ohne zu zögern umsetzte …“, endete Carlos bitter.
Es folgte ein lastendes Schweigen, bis Kat es nicht länger aushielt.
„Und?“, sagte sie aufmunternd. Carlos schaute sie an, als erwache er aus einem bösen Traum.
„Ich war drei, als er mich das erste Mal auf einen wilden Bullen setzte.“
„Drei Jahre?“ , echote Kat fassungslos.
„Zu meinem fünften Geburtstag rüstete er mich mit meiner ersten estoque , dem Stoßdegen des Toreros aus. Und da das spanische Gesetz vorschreibt, dass Stierkampfnovizen, wie man junge Toreros nennt, mindestens sechzehn sein müssen, siedelte er uns alle nach Südamerika um, wo man es mit … derlei Einschränkungen nicht so genau nahm.“
„Und?“, fragte Kat, weil er wieder eine Pause machte. „Hat dir der Stierkampf denn überhaupt gefallen?“
„Ich habe ihn geliebt“, gab Carlos unerwartet zu. „Und ich war sehr gut darin … zu gut.“
„Wie kann man in etwas zu gut sein?“
„Weil es einem dann schwerfällt, rechtzeitig aufzuhören, selbst wenn man genau weiß, dass es an der Zeit ist. Ich war erst zwanzig, als ich die Arena verließ, auf dem Gipfel meiner Karriere …“
An dem Ausdruck in seinen dunklen Augen ahnte Kat, wo er jetzt gerade war.
Carlos erinnerte sich noch gut an die sengende Hitze, den feinen Staub, der alles
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