Kat und der heissbluetige Spanier
die strahlende Mittagssonne, die helle Kringel auf die Kabinenwände und den Esstisch zauberte, an dem mindestens zwölf Personen Platz hatten.
Mehrere geöffnete Wein- und Champagnerflaschen standen entlang der Tischmitte zwischen heruntergebrannten Kerzen in silbernen Leuchtern. Wachs war auf das kostbare Chinaporzellan getropft. Bei genauerem Hinsehen stellte Kat fest, dass es sich nur zwei Personen hier hatten gut gehen lassen. Doch die kostbare Kristallplatte mit den frischen exotischen Früchten war nur halb gegessen, der Champagner in den hohen Kristallflöten längst schal. In einem Glas schwamm sogar ein zerknülltes Goldpapier, in das wahrscheinlich eine Praline eingewickelt gewesen war.
Angesichts der dekadenten Szenerie schürzte Kat missbilligend die vollen Lippen und bedauerte schon jetzt die arme Seele, die das Chaos würde beseitigen müssen.
„Was für ein grauenhaftes Durcheinander!“
Mike lachte. „Nicht wahr? Der Boss macht eben keine halben Sachen, wenn er eine Party schmeißt.“
Das klang fast anerkennend, und Kat schüttelte sich innerlich. Wenigstens wusste sie jetzt sicher, dass der Boss ein Mann war, denn keine Frau brächte es fertig, ein derartiges Schlachtfeld zu hinterlassen. Auf jeden Fall sprach die herrschende Unordnung nicht gerade für ihren Gastgeber.
Mit einem satten Schnurren sprangen die Maschinen an und das Schiff begann sanft zu vibrieren. Kats Augen weiteten sich überrascht, und sie lauschte kurz, wurde aber gleich darauf von etwas abgelenkt, das ihre ganze Aufmerksamkeit gefangen nahm. Vor ihr auf dem polierten Teakboden, halb versteckt unter dem Tisch, lag ein goldener Hauch von einem Nichts – ein winziger Stofffetzen, den sie erst auf den zweiten Blick als Bikinioberteil identifizieren konnte. Ein Symbol für haltlosen, dekadenten Sex. Heiße Schamesröte bedeckte ihre Wangen.
Aber es sollte noch schlimmer kommen.
Während sie mehr als peinlich berührt zur Seite sah, blickte sie direkt in ein dunkles, attraktives Männergesicht. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, nur um gleich darauf mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu hämmern.
Das konnte nicht sein! Das durfte einfach nicht sein!
Der Mann auf dem Foto in dem schweren silbernen Rahmen war kaum älter als Anfang zwanzig. Doch an dem schon damals markanten Gesicht und den herausfordernden schwarzen Augen würde sie ihn immer und überall wiedererkennen. Er wirkte etwas schlaksiger als heute, trug eine üppig bestickte und verzierte Glitzerjacke zu hautengen Hosen und auf dem rabenschwarzen Haar einen flachen, seltsam geformten Hut.
Der kuriose Aufzug ließ ihn fremd und gleichzeitig absurd vertraut erscheinen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Kat realisierte, dass es sich um das traditionelle Kostüm eines Stierkämpfers handelte. Doch das schien angesichts der wachsenden Panik, die sich ihrer bemächtigte, schon gar nicht mehr relevant zu sein.
Der junge, verwegene Stierkämpfer, der sie aus dem schweren Silberrahmen kalt musterte, war niemand anders als Carlos Guerrero … der Mann, den sie nie wieder in ihrem Leben hatte sehen wollen.
„Wessen Jacht ist das hier?“, fragte sie heiser.
Mike war ihrem Blick gefolgt. „Seine“, erwiderte er lakonisch.
„C…Carlos Guerrero?“ Allein den verhassten Namen auszusprechen, jagte ihr eisige Schauer über den Rücken.
„Aber sicher, wer sonst? Wussten Sie das denn nicht?“ Mikes Neugier schien geweckt.
Natürlich hatte sie es nicht gewusst! Wäre sie sonst hier an Bord? Nicht auf eine Million Kilometer wäre sie diesem verdammten Schiff nahe gekommen! Aber den unverschämt grinsenden Ingenieur über ihre Gefühle gegenüber seinem Arbeitgeber aufzuklären, daran dachte sie schon gar nicht.
„Ich glaube, es handelt sich hier um eine Verwechslung“, murmelte sie spröde. „Nicht mehr als ein kleines Missgeschick, trotzdem möchte ich augenblicklich zurück an Land gehen.“
„Ich befürchte, das wird nicht möglich sein.“
„Und warum, wenn ich fragen darf?“, forderte Kat arrogant Aufklärung des Missverständnisses.
„Weil Carlos mir eine neue Arbeitskraft angekündigt hat, die Kat Balfour heißt.“
Nur ein einziges Wort war bei Kat hängengeblieben. „Arbeitskraft …“, echote sie.
„So ist es. Sie sind nach eigener Aussage Kat Balfour, und auf der Corazón Frío gibt es sechs hungrige Crewmitglieder.“ Er grinste breit. „Wir brauchen dringend jemand, der uns die Mahlzeiten zubereitet und hinter uns aufräumt und
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