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Katharina von Medici (German Edition)

Katharina von Medici (German Edition)

Titel: Katharina von Medici (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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unparteiischsten Gemüter bilde ich vielleicht noch ein großes Problem. Meint ihr denn, ich sei von Haßgefühlen beseelt gewesen, habe nur Rache und Wut geschnaubt?‹
    Sie lächelte mitleidig.
    ›Kalt und ruhig war ich wie die Vernunft selber. Erbarmungslos, aber ohne Aufwallung habe ich die Hugenotten verdammt; sie waren die faule Orange in meinem Korbe. Als Englands Königin würde ich die Katholiken ebenso verurteilt haben, wenn sie aufrührerisch gewesen wären. Auf daß unsere Macht etwas Leben zu jener Epoche besäße, war im Staate ein einziger Gott, ein einziger Glaube, ein einziger Herr nötig. Zu meinem Glücke hab ich meine Rechtfertigung in einem Worte geprägt. Als Birago mir fälschlicherweise den Verlust der Schlacht von Dreux meldete, rief ich: Nun denn, so werden wir zur Predigt gehen!... Haß wider die Religionsleute? Ich schätzte sie sehr und kannte sie gar nicht. Wenn ich Abneigung gegen einige Politiker spürte, so war das gegen den Kardinal von Lothringen, gegen seinen Bruder, einen verschlagenen und rohen Soldaten, die mich alle beide belauern ließen, weil sie meiner Kinder Feinde waren und ihnen die Krone entreißen wollten. Tagtäglich sah ich sie, und sie fielen mir lästig. Hätten wir die Sankt Bartholomäusnacht nicht ins Werk gesetzt, würden die Guisen sie mit Roms und seiner Priester Hilfe ausgeführt haben. Die Liga, die nur in meinen alten Tagen zu Macht gelangte, hat 1573 begonnen.‹
    ›Aber, Madame, warum haben Sie nicht, statt diese schreckliche Bluttat – verzeihen Sie meinen Freimut – anzuordnen, die unermeßlichen Hilfsmittel Ihrer Politik angewendet, um den Reformierten die weisen Institutionen zu geben, welche Heinrichs des Vierten Herrschaft so ruhmreich und so friedlich machten?‹
    Sie lächelte abermals. Hob die Schultern und ihre tiefen Furchen gaben ihrem bleichen Gesichte einen von Bitterkeit durchtränkten höhnischen Ausdruck.
    ›Nach den blutigsten Kämpfen‹, sagte sie, ›bedürfen die Völker der Ruhe: das ist das Geheimnis jener Regierung. Heinrich der Vierte aber hat zwei nicht wiedergutzumachende Fehler begangen: er durfte weder den Protestantismus abschwören, noch Frankreich katholisch lassen, nachdem er es selber geworden war. Er allein befand sich in der Lage, Frankreichs Gesicht ohne irgendwelche Erschütterungen zu verändern. Entweder keine Stola oder keine Predigt, das hätte sein Gedanke sein müssen. In einer Regierung zwei feindliche Prinzipien bestehen zu lassen, ohne daß irgend etwas sie ausbalanciert, ist ein Königsverbrechen; so sät man Revolutionen. Gott allein steht es zu, das Gute wie das Böse in seinem Werke unaufhörlich offenbar werden zu lassen. Diese Sentenz aber war vielleicht Heinrichs des Vierten Politik auf den Grund geschrieben und verursachte etwa seinen Tod. Ein Ding der Unmöglichkeit ist es, daß Sully keinen begehrlichen Blick auf jene unermeßlichen Güter des Klerus warf, die der Klerus nicht völlig besaß, denn der Adel vergeudete zum mindesten zwei Drittel ihrer Einkünfte. Der reformierte Sully hatte nichtsdestoweniger Abteien...‹ Sie hielt inne und schien nachdenklich.
    ›Doch,‹ fuhr sie fort, ›erwägt Ihr, daß Ihr eines Papstes Nichte um Aufklärungen über ihren Katholizismus bittet?‹
    Abermals hielt sie inne.
    ›Trotzdem würde ich eine gute Calvinistin gewesen sein‹, fügte sie, sich zu einer sorglosen Geste hinreißen lassend, hinzu.
    ›Sollten die überlegenen Geister Eures Jahrhunderts noch glauben, daß die Religion etwas zu bedeuten gehabt hätte in jenem Prozesse, dem ungeheuersten von allen denen, die Europa zu beurteilen hat? Der ist eine unendliche Revolution, die herausgeschoben ward durch kleine Ursachen, welche sie nicht hindern werden, über die ganze Welt hinwegzufegen, da ich sie nicht in den Keimen erstickt habe. Eine Revolution,‹ sagte sie, mir einen tiefen Blick zuwerfend, ›die immer marschiert und die du vollenden könntest. Ja, du, der du mir lauschest.‹
    Mir schauderte.
    ›Was, keiner noch hat begriffen, daß die alten Interessen und die neuen Interessen Rom und Luther als ein Banner gepackt hatten? Was, Ludwig der Neunte hat, weil er einen fast gleichen Kampf vermied, indem er eine Menschenmenge, die der, welche ich verdammte, an Zahl schier hundertfach überlegen war, mit sich riß und in den Sandwüsten Ägyptens verderben ließ, den Beinamen der Heilige verdient und ich?... Ich aber‹, sagte sie, ›bin gescheitert.‹
    Sie senkte das Haupt und verharrte

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