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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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großen Raums verschwanden im Schatten.
Talleyrand warf einen Blick auf die vergoldete Standuhr und sah, daß es schon zwei Uhr morgens war. Er richtete sich im Sessel auf. Valentine und Mireille saßen zu seinen Füßen und hatten die Köpfe an seine Knie gelegt. „Ich habe Ihrem Onkel versprochen, Sie nicht zu spät nach Hause zu bringen“, sagte er.
„Wissen Sie, wie spät es ist?“
„Oh, Onkel Maurice“, bettelte Valentine, „bitte schickt uns jetzt nicht weg. Wir sind zum ersten Mal in der Oper gewesen und abends ausgegangen. Wir leben hier in Paris immer noch wie im Kloster.“
„Noch eine Geschichte“, bat auch Mireille, „unser Onkel hat bestimmt nichts dagegen.“ „Er wird wütend sein!“ Talleyrand lachte leise. „Aber es ist bereits zu spät, um Sie nach Hause zu schicken. Zu dieser Zeit treiben sich Betrunkene auf den Straßen herum, auch in den besseren Gegenden der Stadt. Ich schlage vor, ich schicke einen Boten mit einer Nachricht zu Ihrem Onkel. Mein Kammerdiener Courtiade soll Ihnen ein Zimmer herrichten. Ich nehme an, Sie wollen lieber zusammen schlafen...“
Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, daß es zu gefährlich war, die beiden jungen Frauen nach Hause zu schicken, denn Talleyrand hatte viele Diener, und Davids Haus lag nicht weit entfernt. Aber Talleyrand wollte die beiden plötzlich nicht mehr wegschicken und hatte sie am liebsten ganz bei sich behalten. Er schmückte seine Geschichten aus und verzögerte den unvermeidlichen Abschied. Diese beiden Mädchen mit ihrer erfrischenden Natürlichkeit hatten bei ihm Gefühle geweckt, die er nicht richtig einordnen konnte und wollte. Talleyrand hatte nie eine Familie gehabt, und die echte Wärme ihrer Anwesenheit war für ihn eine völlig neue Erfahrung. „Oh, dürfen wir wirklich hier übernachten?“ fragte Valentine, setzte sich auf und drückte Mireilles Arm. Mireille wirkte unsicher, aber sie wollte ebenfalls bleiben. „Natürlich“, sagte Talleyrand, stand auf und zog an der Klingelschnur. „Hoffen wir nur, daß daraus nicht der Skandal wird, den Germaine mir bereits prophezeit hat.“ Der ernste Courtiade trug noch immer die gestärkte Livree. Er warf einen Blick auf die beiden Mädchen und den nackten, verkrümmten Fuß seines Herrn, dann führte er Valentine und Mireille wortlos die Treppe hinauf in das größte Gästezimmer. „Könnte man uns vielleicht zwei Nachthemden bringen?“ fragte Mireille. „Vielleicht kann eines der Dienstmädchen...“
„Das sollte kein Problem sein“, erwiderte Courtiade höflich und ließ sofort zwei seidene, verschwenderisch mit Spitze besetzte Peignoirs bringen, die bestimmt keinem Dienstmädchen gehörten. Dann ließ er die beiden diskret allein. Als Valentine und Mireille sich entkleidet und die Haare gebürstet hatten, legten sie sich in das große weiche Bett mit dem kunstvollen Betthimmel. Kurz darauf klopfte Talleyrand an die Tür. „Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?“ fragte er. „So ein schönes Bett haben wir noch nie gesehen“, erwiderte Mireille und schmiegte sich genußvoll in die dicken, weichen Kissen. „Im Kloster haben wir auf Holzbrettern geschlafen,
um unsere Haltung zu verbessern.“
„Ich kann Ihnen bestätigen, das hat zu einem bewundernswerten Ergebnis geführt“, sagte Talleyrand lächelnd. Er kam zu ihnen und setzte sich auf eine kleine Couch neben dem Bett. „Ihr müßt uns jetzt noch eine Geschichte erzählen, Onkel Maurice“, sagte Valentine. „Es ist sehr spät...“ wehrte Talleyrand ab. "Eine Gespenstergeschichte!“ rief Valentine. „Die Äbtissin hat nie erlaubt, daß wir Gespenstergeschichten hören, aber wir haben sie uns trotzdem erzählt. Kennt Ihr eine?“ „Bedauerlicherweise nicht“, erwiderte Talleyrand gespielt zerknirscht. „Wie Sie wissen, war meine Kindheit nicht sehr glücklich. Man hat mir nie solche Geschichten erzählt.“ Er dachte einen Moment nach. „Da fällt mir ein, ich bin sogar einmal einem Gespenst begegnet.“ „Wirklich ?“ fragte Valentine und drückte Mireille unter der Bettdecke die Hand. Die beiden sahen Talleyrand mit großen Augen an. „Einem richtigen Gespenst?“ 
„Es klingt verrückt, wenn ich das jetzt sage“, erwiderte er lachend, „und Sie müssen mir versprechen, Ihrem Onkel Jacques-Louis nichts davon zu erzählen, sonst werde ich zum Gespött der ganzen Nationalversammlung.“ Die Mädchen zogen das Bettuch bis ans Kinn und versprachen hoch und heilig

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