Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Monseigneur.“ „Geschlossen? Warum ist es geschlossen worden?“
„Das Enteignungsgesetz, Monseigneur, Die Äbtissin hat um unsere Sicherheit gefürchtet -“ „Die Äbtissin hat in ihrem Brief an mich erklärt“, schaltete sich David ein, „daß der Vatikan angeordnet habe, das Kloster zu schließen.“
„Und Sie haben das einfach so hingenommen?“ fragte Talleyrand. „Sind Sie Republikaner oder nicht? Sie wissen, Papst Pius hat die Revolution verurteilt. Als wir das Enteignungsgesetz verabschiedet hatten, drohte er, jeden Katholiken in der Nationalversammlung zu exkommunizieren! Diese Äbtissin hat Landesverrat begangen,
indem sie die Befehle des Vatikans befolgte, der, wie jeder weiß, von Habsburgern und spanischen Bourbonen wimmelt.“
„Ich möchte darauf hinweisen, daß ich ein ebenso guter Republikaner bin wie Sie“,
erwiderte Jacques-Louis heftig. „Meine Familie gehört nicht zum Adel. Ich bin ein Mann des Volks. Ich stehe und falle mit der neuen Regierung. Aber die Schließung des Klosters von Montglane hat nichts mit Politik zu tun.“
„Auf dieser Welt, mein lieber Jacques-Louis, hat alles etwas mit Politik zu tun. Sie wissen doch, was in dem Kloster dort vergraben ist, oder nicht?“ Valentine und Mireille wurden bleich. Aber Jacques-Louis warf Maurice einen seltsamen Blick zu und griff nach dem Weinglas. „Pah! Das sind Ammenmärchen...“ erklärte er und lachte verächtlich. „Wirklich?“ fragte Talleyrand und musterte die beiden jungen Frauen mit seinen durchdringend blauen Augen. Dann griff auch er nach seinem Weinglas und nippte gedankenverloren, nahm wieder Messer und Gabel in die Hand und aß weiter. Valentine und Mireille waren wie erstarrt und rührten das Essen nicht an. „Ihren Nichten scheint der Appetit vergangen zu sein“, bemerkte Talleyrand schließlich. David sah sie an. „Also, was ist?“ fragte er. „Sagt mir ja nicht, daß ihr auch an diesen Unsinn glaubt.“
„Nein, Onkel“, sagte Mireille ruhig, „wir wissen, es ist ein Aberglaube.“
„Natürlich, es ist eine Legende, nicht wahr?“ sagte Talleyrand mit einem Anflug seines üblichen Charmes. „Aber ihr scheint davon gehört zu haben. Übrigens, wohin ist die Äbtissin denn gegangen, nachdem sie sich mit dem Papst gegen die französische Regierung verschworen hat?“
„Um Himmels willen, Maurice“, rief David gereizt, „man könnte glauben, Sie kommen von der Inquisition. Ich werde Ihnen sagen, wo sie ist, und dann wollen wir nicht mehr darüber reden. Sie ist in Rußland.“
Talleyrand schwieg einen Augenblick. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln, als amüsiere er sich insgeheim über etwas. „Vermutlich haben Sie recht“, sagte er zu JacquesLouis. „Hatten Ihre reizenden Nichten eigentlich schon Gelegenheit, die Pariser Oper zu besuchen?“
„Nein, Monseigneur“, antwortete Valentine eifrig, „aber es ist schon von Kindheit an unser größter Traum.“
„Ein so alter Traum?“ Talleyrand lachte. „Nun ja, vielleicht können wir dafür sorgen, daß er in Erfüllung geht. Nach dem Essen werden wir einen Blick auf Ihre Garderobe werfen. Ich bin zufällig ein Experte in Sachen Mode...“
„Monseigneur berät die Hälfte aller Frauen von Paris. Er bestimmt, was sie tragen und nicht tragen“, erklärte Jacques-Louis trocken. „Das ist eines der vielen Dinge, die er aus christlicher Nächstenliebe tut.“
„Ich muß euch unbedingt die Geschichte erzählen, als ich Marie-Antoinettes Frisur, Maske und Kostüm für einen Maskenball entworfen habe. Selbst ihre Liebhaber erkannten sie nicht - vom König ganz zu schweigen!“
„Oh, Onkel, dürfen wir den Monseigneur bitten, dasselbe für uns zu tun?“ bat Valentine. Sie war sehr erleichtert, daß das Gespräch um ein angenehmeres und sehr viel ungefährlicheres Thema kreiste. „Meine Damen, Sie sehen bereits so hinreißend und bezaubernd aus.“ Talleyrand lächelte. „Aber wir werden sehen, womit wir der Natur ein wenig nachhelfen können. Glücklicherweise habe ich eine Freundin, zu deren Gefolge die besten Schneiderinnen von Paris gehören - vielleicht haben Sie schon von Madame de Staël gehört?“
„Das war das schönste Erlebnis meines Lebens“, erklärt“ Valentine nach der Oper, als sie auf dem dicken Aubusson-Teppich in Talleyrands Arbeitszimmer vor dem Kamin saß und durch das Gitter des Funkenschutzes die Flammen beobachtete. Talleyrand hatte es sich in einem großen, mit blauer
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