Katja Henkelpott 3 - Katja Henkelpott kommt in die Schule
Bein stellen wollte. Wir mussten stehen bleiben.
Der Junge sah dick aus und so weiß wie eine Käsemade. Er sagte: »Schokoladenscheiße.«
Wir blickten hoch auf seine Mutter. Vielleicht gefiel ihr das Schimpfwort nicht, aber sie sagte nichts, um ihren bösen Jungen zu ermahnen.
Also musste ich das tun.
Ich rief: »Das sagst du nicht ein zweites Mal!«
Er sagte: »Schokoladenscheiße.«
Das war ein Angriff.
Meine Großmutter Habenicht fiel mir ein, und die Geschichte vom Igel. Leider habe ich keine Stacheln, aber ich hab einen mecklenburgischen Dickschädel. Den senkte ich, nahm ein bisschen Anlauf und rammte ihn dem dicken Jungen in den Bauch.
Er setzte sich mit seiner weißen Hose in den Dreck, glotzte ein Weilchen blöde, dann hat er wie am Spieß geschrien. Und seine Mutter wollte auf mich und auf den kleinen Schwarzen los.
Sie rief: »Unverschämtheit!«
Meine Mutter und die von Dimas mussten uns zur Seite reißen.
Weil auf dem Schulhof so laut gesprochen wurde, sangen die Kinder aus der zweiten Klasse nicht weiter, sondern stürzten an die Fenster und schauten auf den Hof. Und über die Treppe herab schritt die Direktorin.
»Was ist geschehen?«
Die Mutter von der Käsemade zeigte mit dem Finger auf mich. »Dieses böse Kind hat meinen armen Jungen angefallen.«
Die Direktorin fragte: »Ist er verletzt?«
Der Junge war ein bisschen verdreckt, aber so gesund, dass er Dimas die Zunge rausstrecken konnte.
Aber mir tat der Hals weh.
Die Direktorin befühlte mich. Sie sagte: »Du hast einen Schiefhals. Du musst sofort zum Arzt.«
Ich weinte. Ich wollte nicht mehr krank sein. Ich muss morgen unbedingt zur Einschulung und Dimas beschützen.
Lange Hälse
Zur Einschulung war nur meine Großmutter Habenicht angereist. Die anderen Verwandten hatten Gott sei Dank keine Zeit und konnten sich nicht darüber aufregen, dass ich schon wieder einen Fehltritt getan hatte.
Meine Oma deckte den Frühstückstisch und stellte ein paar Blumen aus Pälitzhof an meinen Platz, damit ich mich an meinem Ehrentag freuen konnte.
Wie soll sich ein Kind freuen, wenn es schon beim Frühstück ausgemeckert wird.
Meine Mutter hatte Angst, die Direktorin könnte den Vorfall heute vor allen Leuten zur Sprache bringen, als warnendes Beispiel, wegen Gewalt an der Schule. Und weil der Vater von dem bleichen Jungen ein ziemlich hohes Tier im Rathaus ist.
Auch mein Vater seufzte.
»Du musst dich ändern, Kind. Du darfst nicht wild und wütig werden, selbst wenn du dich im Recht glaubst.«
Da hat meine Oma den Löffel an die Tasse geschlagen und eine Rede gehalten.
»Katja Henkelpott. Du wirst heute eingeschult. Es ist wichtig, dass du lesen lernst, rechnen und schreiben. Alles, was dich die Schule lehrt, ist wichtig. Aber am wichtigsten ist, dass in der Not ein Mensch dem anderen Menschen hilft. Unverzagt und barmherzig. Das hast du schon vor der Schule geübt und das darfst du niemals vergessen. Ich bin stolz auf dich.«
Sie küsste mich und sagte zu meinen Eltern: »Wir müssen uns fertig machen.«
Meine Oma kämmte mir die Haare und band die Henkelpott-Pferdeschwänze mit echten Seidenschleifen zusammen, wie das sonst nur gemacht wird, wenn eine Pralinenschachtel geschmückt werden soll, die man zum Geburtstag verschenkt.
Dann kam die Einkleidung. Ich musste an Aschenputtel denken. Über ihre Einschulung ist nichts bekannt, aber sie hatte Stress, weil sie nicht wusste, was sie beim Ball im Königsschloss anziehen sollte.
Bäumchen, Bäumchen schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.
So was Glänziges hatten wir beim Qualle-Versand nicht bestellt.
Meine Oma warf mir das rot karierte Kleid aus dem alten Amerika über den Kopf und zerrte so lange daran herum, bis ich mit beiden Augen über den Kragen schielte. Dann noch ein Ruck und meine Mutter konnte am Reißverschluss zurren.
Ich starrte verwundert in den Spiegel, weil ein Mädchen darin erschien, das ich zuerst nicht erkennen konnte, so niedlich war ich anzusehen.
Natürlich hätten zu dem wunderschönen Kleid am besten Holzpantinen gepasst. Meine Oma hatte mir aber Wanderschuhe gekauft, die eine Nummer zu groß waren und deshalb auch ziemlich klotzig wirkten.
Zuletzt trat mein Vater hinter mich, um mir die Halsmanschette anzulegen. Sie reichte bis ans Kinn und an den Seiten bis zu den Ohren. Der Notarzt hatte sie verordnet, damit sich mein Schiefhals nach und nach wieder einrenken sollte.
Ich fand diese Krause nicht schlecht. So was Ähnliches hatte ich
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