Katja Henkelpott 3 - Katja Henkelpott kommt in die Schule
standen um den Sarg herum und wir haben von meinem Großvater geredet, wie gerne er Zinnaer Klosterbruder getrunken hat, und was für ein guter Mensch er war. Bis das Pferdegespann kam, das ihn zum Friedhof brachte.
»Quatsch«, sagte mein Vater. Und meine Mutter saß verärgert am Frühstückstisch.
Weil niemand mehr was sagte, hab ich einen Vorschlag gemacht: »Es ist gerade Karneval und ich kann etwas Lustiges singen, damit Großmutter Habenicht nicht weinen muss, weil sie schon siebzig geworden ist.«
Meine Eltern waren einverstanden.
Zuerst war der Geburtstag feierlich. Wir hatten ein feines Restaurant, rosa Kerzen auf dem Tisch, der mit rosa Rosen bestreut war. An der Stirnseite hat meine Oma gesessen mit weißen Haaren und geschmückt wie eine dicke Braut. Und die Verwandtschaft hat was Feines gegessen und getrunken und der Studienrat vom Timmendorfer Strand hat eine Rede gehalten und »Lisbeth« zu meiner Oma gesagt und wie schön das wäre, der Osten und der Westen und alles einig an einem Tisch.
Und dann kam der Höhepunkt: Katja Henkelpott als Mini-Play-back-Show. Das, wozu meine Mutter kulturvoll sagt, weil es schön ist und nichts kostet.
Raoul hat die Kassette eingelegt und ich habe bestimmt sehr niedlich ausgesehen. Zuerst hat die Verwandtschaft im Takt zu der Musik geklatscht und sich gefreut, wie ich als ein kleines Mädchen für fünf Personen, die sich »Prinzen« nennen, gestrampelt und gehampelt habe.
Aber dann kam der Gesang:
» Du musst ein Schwein sein in dieser Welt, oh, oh.
Du musst gemein sein in dieser Welt, oh, oh.
Und willst du ehrlich durchs Leben gehn, oh, oh,
kriegst du ‘nen Arschtritt als Dankeschön, oh, oh .«
Da hat nur noch die eine Hälfte meiner Verwandtschaft gelacht. Die alte Tante aus Hannover hat mich böse angestarrt und der Studienrat aus Timmendorfer Strand hat gesagt, mein Auftritt wäre ein Fehltritt gewesen, und gefragt, ob mich der Amtsarzt untersucht hätte. So was wie ich könnte nicht schulreif sein.
Das sagst du nicht ein zweites Mal!
Meiner Mutter gefallen die Pferdeschwänze über den Ohren nicht mehr. Sie sagt: »Du bist raus aus dem Alter, weil du rein in die Schule kommst. Ich würde es lieber sehen, wenn du dir zwei Zöpfe flechten ließest.«
Ich möchte aber aussehen, wie ich will.
Also habe ich die Augen verdreht, die Lippen vorgestülpt, als ob ich »ph!« machen wollte. Dabei ist mir ein bisschen Luft rausgeblubbert. Es klang wie ein kleiner Pups. Meine Mutter sagte: »Werd bloß nicht frech.«
Ich versteh nicht, dass ein Kind auch noch brav sein muss, wenn die Erwachsenen verlangen, dass es etwas tun soll, was es nicht mag.
Ich ess keine Pilze, ich trink keine warme Milch. Ich will keine Zöpfe, schon gar nicht solche, die wie Wurstringe zusammengebunden werden.
Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Warum musst du immer das letzte Wort haben?«
»Weil ich mich nicht gerne zwingen lasse.«
»Du willst dauernd den eigenen Kopf durchsetzen!«
»Wozu habe ich denn einen?«
»Höchste Zeit«, sagte Mutter, »dass du in die Schule kommst. Dort wird man dir die Hammelbeine lang ziehen.«
Es kann vorkommen, dass ich bei Müdigkeit mal über den großen Onkel latsche, ein Hammel bin ich deshalb noch lange nicht. Deshalb hob ich die Nase und wiederholte, was mir meine Mutter schon hundertmal zugerufen hatte, wenn sie mit mir nicht einverstanden war.
Ich rief: »Das sagst du nicht ein zweites Mal!«
Peng!
Es ist komisch. Als Kind muss man sich alles anhören, aber wenn man dasselbe Wort zu einem Erwachsenen sagt, kriegt man eine gelangt.
Ich rieb meine Wange und brüllte los.
Meine Mutter sagte: »Dass du eine große Klappe hast, sieht man am besten, wenn du heulst.«
Also klappte ich den Mund zu und drückte die Handballen auf die Augen, um meine Tränen abzustellen. Bloß den Mund kriegte ich nicht grade. Ich hielt ihn schief, bis meine Mutter ihre Arme öffnete und über die Versöhnung sprach.
»Du bist so frech geworden, dass mir die Hand ausgerutscht ist. Es tut mir Leid.«
Da hab ich mich auch entschuldigt, bin ihr um den Hals gefallen und hab sie gedrückt, damit sie spürt, wie stark ich sie lieb habe.
Meine Mutter sagte: »Ein Schulkind ist etwas anderes als ein Kindergartenkind. Du musst dir die Unarten abgewöhnen, deinen Widerstandsgeist und die Bockbeinigkeit.«
Schon wieder die Hammelbeine, die ich doch nicht habe. Ich holte schnaufend Luft durch meine beiden Nasenlöcher.
Und meine Mutter wurde streng: »Du
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