Katrin Sandmann 01 - Schattenriss
rasten. Sie sollte die Polizei anrufen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber dann entschied sie sich anders. Sie würde zugeben müssen, dass sie eigenmächtig ermittelt hatte. Das würde man bestimmt nicht gern sehen. Und falls sie dann doch weitermachen wollte, würde sie es gegen das ausdrückliche Verbot der Polizei tun müssen. Also wählte sie stattdessen Robertas Nummer. Beim fünften Klingeln nahm ihre Freundin ab.
„Was ist los Katrin? Ist es was passiert? Du klingst ja ganz aufgeregt.“
„Kann ich vorbeikommen?“
„Bist du zu Hause?“
„Ja.“
„Dann weiß ich was Besseres. Ich komme zu dir. Peter ist zurück. Er kann sich um die Kinder kümmern. Ich bin in einer halben Stunde da.“
Es dauerte kaum mehr als zwanzig Minuten, bis Roberta klingelte. Trotzdem kam Katrin die Zeit endlos vor. Bei jedem Geräusch im Treppenhaus zuckte sie zusammen. Sie war kaum in der Lage, ihre Einkaufstaschen weiter auszupacken. Rupert spürte, dass etwas nicht stimmte und legte sich auf die Fensterbank. Normalerweise sprang er auf den Küchentisch, wenn Katrin vom Einkaufen zurückkam und schnüffelte neugierig in den Taschen, aber heute hielt er sich zurück. Er beobachtete ihre fahrigen Bewegungen von weitem und seinen Augen entging nicht das kleinste Zittern ihrer Finger. Als die Türglocke endlich ertönte, hätte Katrin vor Schreck beinahe laut aufgeschrieen. Roberta begleitete ihre Freundin atemlos aber gut gelaunt in die Küche. Katrin kochte Tee und sie setzten sich an den Tisch. Sie erzählte Roberta alles, was sie ihr bisher verschwiegen hatte, berichtete von ihren Besuchen bei Timm Meinardt , auf dem Friedhof und in der Videothek. Sie endete mit dem zweiten anonymen Anruf. Roberta sah sie ungläubig an.
„Mensch, Katrin, in was bist du da reingeraten ? Du solltest das alles der Polizei erzählen.“
„Was gibt es schon groß zu erzählen? Ich hab doch noch gar nichts Konkretes herausgefunden. Bis auf die beiden Anrufe könnte ich denen gar nicht viel sagen.“
Roberta umschloss ihre Teetasse mit den Fingern.
„Die Anrufe sind ja wohl schon genug. Sie beweisen, dass es kein Selbstmord war. Findest du nicht?“
Sie nahm einen Schluck. Als Katrin nicht antwortete, fuhr sie fort.
„Außerdem weißt du nicht, ob die Polizei das mit der Videothek schon weiß. Vielleicht ist dieser Typ, dieser Gutsche doch da rein verwickelt. Wer weiß, wozu solche Kerle fähig sind, wenn sie erpresst werden.“
Katrin schüttelte den Kopf.
„Glaub ich nicht.“
Roberta zuckte die Schultern.
„Ich kann das nicht beurteilen. Aber womöglich hast du Recht. Tamaras Tod hat bestimmt etwas mit ihrem Hang zur Gewalt zu tun. Ich nehme an, man muss jemanden in ihrem Umfeld suchen, der auf so Sadomasozeug steht.“
Katrin goss sich Tee nach. Sie nahm zwei Löffel Zucker und rührte konzentriert in ihrer Tasse herum.
„Selbst wenn sie diesen Typ finden, muss das noch lange nicht der Mörder sein.“
„Ich weiß nicht. Liegt doch ziemlich nahe oder? Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass du jetzt genug auf eigene Faust herumgeschnüffelt hast. Lass es einfach bleiben.“
„Ich kann jetzt nicht mehr aufhören. Ich muss wissen, was passiert ist. Du verstehst das nicht.“
„Ich versteh sehr gut. Aber was willst du dir damit beweisen? Hat das immer noch was mit Melanie zu tun oder hast du vor, deinen Beruf zu wechseln?“
„Vielleicht möchte ich nur nicht wieder das Gefühl haben, tatenlos zugesehen zu haben. Ich weiß es nicht genau. Außerdem macht es mir tatsächlich Spaß.“
„Vor allem die Drohanrufe.“ Roberta sah ihre Freundin scharf an. „Katrin, das ist kein Spiel.“
Das Telefon klingelte. Die beiden Freundinnen sahen sich an. Dann stand Roberta entschlossen auf.
„Lass mich mal dran gehen.“
Katrin folgte ihr zögernd in die Diele. Roberta reichte ihr den Hörer.
„Die Polizei. Ein Hauptkommissar Halverstett .“
Als Katrin aufgelegt hatte, erklärte sie: „Sie wollen mit mir reden. Es ist wegen dieses Typs von der Videothek. Ich glaube, sie haben ihn verhaftet.“
Roberta setzte Katrin am Polizeipräsidium ab.
„Komm vorbei, wenn du da drin fertig bist. Wenn du willst, kannst du auch anrufen. Dann hol ich dich ab. Du solltest den heutigen Abend nicht allein zu Hause verbringen.“
Katrin nickte. Roberta winkte ihr zu und fuhr nach Hause. Katrin betrat das Gebäude mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Sie ahnte, dass der Kommissar ihr Vorwürfe machen würde. Sie hatte sich
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