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Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Katrin Sandmann 01 - Schattenriss

Titel: Katrin Sandmann 01 - Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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sie nicht mehr erfahren würde.
    Als sie aus dem Präsidium trat, fiel ihr als erstes auf, dass der Mann und die Frau immer noch auf der Bank saßen. Katrin hatte wieder dieses eigenartige Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie näherte sich zögernd.
    „Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?“
    Der Mann blickte sie überrascht an. In seinen graublauen Augen spiegelte sich der triste, regenschwere Himmel. „Vielen Dank. Aber es ist alles in Ordnung.“ Die Frau sah sie nicht an. Sie starrte ins Nichts.
    „Sie hat sich nicht umgebracht. Ich wusste, dass sie sich nicht umgebracht hat. Warum sollte sie auch. Sie hatte es gut bei uns.“ Sie sprach monoton und abgehackt. Ihr Blick blieb starr. Katrin begriff mit einem Mal, dass es sich um die Eltern des toten Mädchens handeln musste.
    Der Mann lächelte Katrin entschuldigend an.
    „Unsere Tochter Tamara. Sie ist – jemand hat sie – sie ist ermordet worden.“
    Seine Stimme war bei den letzten Worten zu einem kaum hörbaren Flüstern abgesunken. Er wandte den Blick ab und fixierte ein Fenster im Haus gegenüber.
    „Es tut mir sehr Leid.“ Katrin suchte nach Worten. Sie fühlte eine unangenehme Beklemmung in sich aufsteigen. „Sind Sie sicher, dass Sie keine Hilfe brauchen? Ich könnte Sie nach Hause fahren.“
    Dieter Arnold schüttelte den Kopf.
    „Bitte machen Sie sich keine Umstände. Wir nehmen gleich ein Taxi. Vielen Dank.“
    Katrin stand zögernd vor der Bank und musterte angestrengt die Seitenfront des Polizeipräsidiums, während sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie sollte weggehen und die beiden in Ruhe lassen. Es war nicht ihre Angelegenheit. Sie kannte diese Leute überhaupt nicht. Dann blickte sie die fremde Frau an und spürte ein fast unwiderstehliches Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen. Roberta würde sie jetzt sicher mit ihrem Helfersyndrom aufziehen: Du kannst nicht für alles und jeden die Verantwortung übernehmen, Katrin. Allen Menschen passieren irgendwann in ihrem Leben schlimme Dinge. Und sie müssen lernen damit klar zu kommen. Du kannst nicht die ganze Welt trösten. Roberta hatte natürlich Recht. Trotzdem fiel es ihr schwer, einfach wegzusehen, wenn sie spürte, dass andere Hilfe brauchten. Plötzlich hob die Frau den Kopf und sah sie direkt an. „Sie sieht so seltsam aus. Ganz anders. So kalt und fremd. Dabei war sie ein hübsches Mädchen. Sehr hübsch und sehr klug.“ Sie lächelte Katrin an. „Möchten Sie vielleicht ein paar Fotos sehen?“
    „Sylvia bitte!“ Wieder lag dieser entschuldigende Blick in Dieter Arnolds Augen, als er Katrin ansah. Katrin räusperte sich.
    „Ich würde gern Fotos von Ihrer Tochter sehen.“
      Sie überquerten die Straße und gingen zu Katrins Auto. Dieter Arnold bemühte sich, höflich zu sein. Er sprach über das unbeständige Wetter und bedankte sich mehrmals umständlich für Katrins Freundlichkeit. Sylvia Arnold starrte die ganze Autofahrt lang schweigend aus dem Fenster, aber als sie die Fotoalben aus dem Wohnzimmerschrank holte, lag ein schwaches Leuchten in ihren Augen. Katrin betrachtete die Bilder. Ein strahlendes Baby auf einer rosafarbenen Wolldecke, eine lachende Dreijährige im Sandkasten, mit einem kleinen, gelben Plastikeimer in der Hand, eine Siebenjährige auf einem knallroten Fahrrad, die langen dunkelbraunen Zöpfe fliegen um ihren Kopf, das dünne, hellblaue Kleid flattert im Wind.
    „Sylvia, du darfst Frau Sandmann nicht so lange aufhalten. Es war so nett von ihr, uns nach Hause zu bringen. Aber sie hat doch auch noch andere Dinge zu tun.“ Dieter Arnold hatte Kaffee gekocht und war die ganze Zeit unruhig zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her gelaufen.
    „Ist schon in Ordnung.“ Katrin lächelte ihn beruhigend an.
    „Vielleicht möchten Sie ja ihr Zimmer sehen?“ Sylvia blickte Katrin erwartungsvoll an. Der Raum war sehr klein. Auf dem ordentlich gemachten Bett lagen unzählige Kuscheltiere und eine alte, ziemlich lädierte Puppe mit verdrehten Armen. An den Wänden hingen ein paar Poster, ein bleicher Totenkopf auf schwarzem Untergrund und einige finster aussehende Rockmusiker in provokativer Pose, die nackten Oberkörper mit Tätowierungen übersät. Auf dem Schreibtisch lagen ein paar Schulbücher, ein Englischlexikon und ein Lederhalsband mit silbernen, hakenförmigen Nieten. Katrin blickte sich irritiert um. Das Zimmer verwirrte sie. Sie hatte das beklemmende Gefühl, in jeder Ecke eine andere Tamara zu sehen. Es

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