Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
männlicher Solidarität gewesen. Er wusste nicht warum, aber der Gedanke daran setzte ihm mehr zu als die Vorstellung, in diesem stickigen Schuppen elendig zu verrecken.
Was hatte Rutkowski überhaupt mit ihm vor? Warum hatte er ihn nicht direkt umgebracht? Musste er sich erst überlegen, welche Form des Erstickens für einen Idioten wie ihn angemessen war?
Peter Wickert trat durch die Verandatür in den Garten. Roberta saß auf einem Sack Zement, der für das Fundament der Terrasse bestimmt war. Sie hatte sich eine Strickjacke umgehängt und starrte auf die Burg, die ihre Kinder aus dem Bausand angefertigt hatten. Peter setzte sich neben sie auf einen wackeligen Stapel Steine.
»Hier.«
Er hielt ihr ein Päckchen Zigaretten hin.
»Du weißt doch, dass ich nicht rauche .«
»Ich auch nicht.« Er steckte sich eine Zigarette an und reichte sie seiner Frau. »Betrachte sie als Friedenspfeife .«
Ihr Kopf fuhr herum. Einen Augenblick lang fürchtete er, sie würde wieder anfangen, ihn zu beschimpfen. Aber dann griff sie nach der Zigarette. Sie nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch von ihm weg Richtung Verandatür. Peter fingerte eine zweite Zigarette aus dem Päckchen. Eine Weile lang rauchten beide schweigend.
»Ich habe mir für den Rest der Woche Urlaub genommen«, sagte Peter schließlich. »Dann können wir in Ruhe die letzten Sachen einräumen, und vielleicht fange ich sogar mit der Terrasse an .«
Roberta antwortete nicht sofort. Peter nahm ihre Hand und drückte sie. »So schnell lassen wir uns nicht unterkriegen, oder? Wir haben doch schon ganz andere Dinge gemeinsam bewältigt .«
Roberta hatte ihre Zigarette aufgeraucht und drückte die Kippe auf dem Boden aus.
»Gut, wenn das so ist, dann fang doch mal mit den zwei Kartons an, die im Schlafzimmer rumstehen . Da sind sowieso nur Sachen von dir drin. Und dann kannst du den Kindern Abendbrot machen. Ich lege mich erst mal in die Badewanne. Das hätte ich schon längst mal wieder machen sollen .«
Sie erhob sich und schob die Verandatür auf. Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um. Auf ihren Lippen lag ein schwaches Lächeln, und Peter wusste, dass das Schwierigste überstanden war.
23
Klaus Halverstett klang etwas ungehalten, als er den Anruf auf seinem Handy entgegennahm.
»Ja, was denn?«
»Katrin Sandmann hier. Ich wollte Sie nicht stören, aber ich habe ein ungutes Gefühl. Ist Hans Meister bei Ihnen gewesen? Haben Sie Rutkowski verhaftet ?«
»Meister? Ich verstehe nicht. Wieso sollte der bei mir gewesen sein ?«
»Verdammt .«
»Frau Sandmann, ich weiß nicht, wo Sie da wieder Ihre Nase reingesteckt haben, aber sagen Sie mir sofort, was los ist .«
»Hans Meister ist unschuldig .«
Katrin stockte kurz, die Worte gingen ihr schwer über die Lippen, denn das Bild eines kleinen Jungen, eingequetscht in ein dunkles, todbringendes Gefängnis drängte sich in ihr Bewusstsein. » Rutkowski war’s. Er hat den Anschlag auf sich nur vorgetäuscht .«
»Soviel wissen wir inzwischen auch. An diesem Anschlag stimmte so einiges nicht. Die Kopfverletzung war viel zu oberflächlich. Dadurch hätte er nie das Bewusstsein verloren. Außerdem war da so gut wie gar kein Benzin im Tank. Der Wagen wäre innerhalb von Minuten wieder ausgegangen. Wir sind gerade in seinem Haus. Leider ist er uns entwischt. Er hat die Leute, die ihn beschatten sollten, abgehängt. Aber was ist mit Meister? Sie haben ihn gesehen? Lebt er ?«
Katrin schluckte. Halverstett schaffte es wirklich, eine Sache mit wenigen Worten auf den Punkt zu bringen.
»Vor zwei Stunden hat er noch gelebt. Da haben wir ihn vor dem Präsidium abgesetzt. Hat er sich wirklich nicht bei Ihnen gemeldet ?«
»Moment mal .«
Katrin hörte gedämpfte Stimmen. Sie musste eine Weile warten. Dann sprach Halverstett wieder zu ihr.
»Ich habe noch mal bei den Kollegen nachgefragt. Hans Meister hat sich nicht gestellt .«
»Mist. Ich hätte mit reingehen sollen. Ich habe so was geahnt. Bestimmt hat er es im letzten Augenblick mit der Angst zu tun gekriegt und gekniffen .«
»Jetzt bleibt leider nur die Frage, wer ihn eher findet, wir oder sein alter Freund .«
Katrin antwortete nicht sofort. Sie ärgerte sich über ihre Naivität. Hansi war ein Feigling; er war damals weggelaufen und hatte den kleinen Martin aus Angst vor einer Tracht Prügel sterben lassen. Sie hätte ahnen müssen, dass er wieder kneifen würde. Nur diesmal würde er seine Feigheit vielleicht mit seinem
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