Katzenjammer
zweitens: Wieso soll mir das peinlich sein, wenn mein Frauchen beim Abschied traurig ist?«
Herr Beck streicht sich über den Schnurrbart. »Weil du ein Tier bist und sie ein Mensch ist. Zu viel Rumgekuschel finde ich da unangemessen. Ach, ihr Hunde lernt es eben nicht. Ich glaube, Carolin braucht einfach mal ein eigenes Kind. Dann wäre sie auch wieder klar im Kopf.«
Na super. Das kann ja ein tolles Wochenende werden. Drei Tage mit Kratzbürste Nina und Oberlehrer Beck. Bravo. Nicht, dass ich Carolin ihr romantisches Wochenende – was auch immer damit gemeint sein mag – mit Marc nicht gönne, aber hätten sie mich nicht mitnehmen können? Ich hätte doch gar nicht gestört. Aber nein – kaum war klar, dass Luisa das Wochenende bei ihrer Mutter verbringt, schon wurde auch nach einer Abschiebemöglichkeit für mich gesucht. Und bei Nina prompt gefunden.
»So, Herkules. Dann will ich dir mal den Abschiedsschmerz erträglicher machen und etwas Leckeres für dich kochen. Die ollen Hundekuchen brauchen wir doch gar nicht, ich habe mir etwas Besseres überlegt. Komm mal mit in die Küche.«
Na ja, manchmal ist so eine gewisse räumliche Trennung vom Frauchen vielleicht auch gar nicht schlecht. Man weiß sich hinterher bestimmt wieder viel mehr zu schätzen. Und die ganze Zeit nur mit Marc und Caro, ohne andere Tiere – das wäre auch langweilig geworden. Hach, es riecht schon ganz köstlich!
»Kumpel, da steigt die Laune, oder?«
Ich ignoriere Beck, denn ich habe beschlossen, ihm heute mal in keinem einzigen Punkt Recht zu geben. Er ist mir einfach zu oberschlau. Stattdessen sehe ich gebannt zu, wie Nina leckere Herzstückchen mit Sauce auf einer Portion Reis verteilt, die sie zuvor in meinen Napf gefüllt hat. Lecker!
»Sag mal, kann es übrigens sein, dass du zugenommen hast?«, erkundigt sich Beck.
Ich sage nichts dazu. Ich lasse mich nicht provozieren. Ich nicht. Er läuft einmal um mich herum und betrachtet mich genau.
»Doch. Mindestens ein Kilo, oder?«
Ich lasse mich nicht provozieren. Ich nicht.
»Tja, was rede ich da. Du weißt wahrscheinlich gar nicht, was ein Kilo ist. Also, es ist ungefähr so viel wie ein halbes Kaninchen.«
Ich tauche meine Schnauze tief in den Napf und versuche, nicht hinzuhören.
»Diese Cherie ist ziemlich schlank, oder? Sind Retriever ja meistens.«
Okay. Gott weiß, ich habe es versucht. »Beck. Du nervst. Und zwar gewaltig. Ich bemühe mich wirklich, deine ständigen Belehrungen nicht persönlich zu nehmen. Aber das fällt mir immer schwerer. Wenn ich deiner Meinung nach alles verkehrt mache, zu sehr an meinem Frauchen und an meinem Opili hänge, mich in die falschen Frauen verliebe und sowieso ein bedauernswerter Schoßhund bin, dann frage ich mich ernsthaft, warum du mein Freund bist. Oder ob du überhaupt mein Freund bist. Oder ob du nur jemanden brauchst, bei dem du schlaumeiern kannst, um dich selbst besser zu fühlen.«
»Oh.« Mehr sagt Beck nicht, stattdessen schaut er mich völlig erstaunt an.
»Ja: oh!«, entgegne ich einigermaßen giftig. Wir schweigen uns eine Weile an.
»So siehst du mich?«
Ich nicke.
Beck schaut zu Boden. Dann schüttelt er sich kurz. »Es tut mir leid. Ich bin wohl mittlerweile etwas zynisch geworden.«
»Mag sein. Ich weiß nicht, was das heißt. Aber du kannst es mir natürlich gerne erklären. Ist ja sowieso deine Lieblingsbeschäftigung. «
»Herkules, ich habe gesagt, dass es mir leidtut. Und ich meine das ernst. Natürlich will ich dein Freund sein, und ich hoffe, ich bin es auch. Zynismus ist nämlich gar nicht gut. Es bedeutet, dass man Sachen, die anderen wichtig sind, lächerlich macht. Und zwar meistens, weil man diese Sachen früher selbst mal für wichtig gehalten hat, aber dann das Gefühl hatte, dass es sie vielleicht gar nicht gibt. Nimm beispielsweise deinen unerschütterlichen Glauben an die Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Als ich noch ein junger Kater war, habe ich auch fest daran geglaubt. Aber vielleicht habe ich einfach ein paar Mal zu oft den Besitzer gewechselt und zu unerfreuliche Dinge mit Menschen erlebt, um davon noch überzeugt zu sein. Bei Frau Wiese war es zwar ganz okay, aber sie war natürlich nicht meine Freundin. Eher meine Zimmerwirtin. Offen gestanden, ist Nina der erste Mensch seit langer Zeit, der mir richtig viel bedeutet. Wahrscheinlich war ich immer ein bisschen neidisch auf dein gutes Verhältnis zu Carolin. Verzeih mir, mein Freund!«
Ach, ich habe einfach ein weiches Herz.
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