Katzenkrieg
Glastür, über der ein Schild Gaststätte verkündete, blieb er stehen. Im Inneren strahlte ein kleiner Kohleofen ein wenig Wärme aus und machte die Luft stickig. Der Engländer nahm die beschlagene Brille ab und rieb sie mit der Krawatte sauber. Der einzige Gast in der Gaststätte stand an der Theke, schlürfte einen weißen Schnaps und rauchte eine Zigarre. Eine Anisschnapsflasche in der Hand, starrte der Kellner den Engländer an, der zu ihm sagte: «Guten Tag. Ich muss einen Brief abschicken. Vielleicht gibt es bei Ihnen Briefmarken. Und sonst sagen Sie mir bitte, ob es im Bahnhof eine Verkaufsstelle gibt.»
Der Kellner starrte ihn offenen Mundes an. Dann murmelte er: «Wüsste ich nicht …»
Ohne von seinem Anisglas aufzuschauen, meldete sich der einsame Gast zu Wort: «Sei doch nicht so ungehobelt, verdammt. Was wird der Gentleman für einen Eindruck von uns bekommen?» Und zum Engländer gewandt: «Entschuldigen Sie den Burschen. Er hat kein Wort von dem verstanden, was Sie gesagt haben. In der Bahnhofshalle finden Sie einen Tabakladen, wo Sie auch Briefmarken kaufen können, und einen Briefkasten. Aber trinken Sie doch vorher ein Gläschen Anis.»
«Nein, vielen Dank.»
«Schlagen Sie ihn nicht aus, ich lade Sie ein. Ihr Gesicht zeigt, dass Sie eine Stärkung brauchen.»
«Ich hatte nicht mit dieser Kälte gerechnet. Als ich die Sonne sah …»
«Das ist nicht Málaga. Das ist Venta de Baños, Provinz Palencia. Wenn es hier kalt ist, dann richtig. Sie sind Ausländer, wie man unschwer sieht.»
Der Kellner stellte ein Glas Anis vor den Engländer hin, der es in einem Zug austrank. Da er nichts gegessen hatte, verbrannte ihm der Schnaps Hals und Magen, aber gleichzeitig durchrieselte ihn eine angenehme Wärme.
«Ich bin Engländer», antwortete er. «Und ich muss mich sputen, wenn ich den Schnellzug nach Madrid nicht verpassen will. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, lasse ich meinen Koffer hier, statt ihn mitzuschleppen, während ich zum Tabakladen gehe.»
Er stellte das Glas auf die Theke und trat durch eine Seitentür in die Bahnhofshalle hinaus, wo er mehrmals hin und her ging, ohne den Laden zu finden, bis ein Gepäckmeister auf ein geschlossenes Fensterchen deutete. Dort klopfte er an, und nach einer Weile ging das Fenster auf, und es erschien ein Glatzkopf mit einfältigem Gesicht. Als ihm der Engländer erklärte, was er wollte, schloss er die Augen und bewegte die Lippen wie im Gebet. Dann bückte er sich, stand wieder auf und legte ein riesiges Buch auf den Sims. Er blätterte lange darin, entfernte sich und kam mit einer kleinen Waage zurück. Der Engländer reichte ihm den Brief, den der Postbeamte sorgfältig wog. Wieder schlug er im Buch nach und berechnete dann das Porto. Der Engländer zahlte und eilte in die Gaststätte zurück. Mit einem schmutzigen Lappen in der Hand starrte der Kellner zur Decke hinauf. Auf die entsprechende Frage des Engländers sagte er, das Getränk sei wie vereinbart vom anderen Gast bezahlt worden. Der Koffer stand noch am selben Ort. Der Engländer ergriff ihn, bedankte sich und hastete hinaus. Eben setzte sich zwischen weißen Dampfwolken und Rauchstößen schwerfällig der Schnellzug nach Madrid in Bewegung. Mit langen Schritten erreichte er den letzten Wagen und stieg ein.
Nachdem er durch mehrere Waggons gegangen war, ohne ein leeres Abteil zu finden, beschloss er, auf dem Gang zu bleiben, obwohl es dort kalt zog. Der Laufschritt hatte ihn ins Schwitzen gebracht, und die Erleichterung, den Brief abgeschickt zu haben, war ihm die Anstrengung mehr als wert. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Zum Henker mit den Frauen!, dachte er.
Er wäre gern allein gewesen, um die neuerlangte Freiheit zu genießen und die Landschaft zu betrachten, doch nach einer Weile taumelte der Mann aus der Gaststätte auf ihn zu. Er grüßte, und der andere stellte sich zu ihm. Er war etwa fünfzig, klein, hager, mit faltenübersätem Gesicht, Säcken unter den Augen und unstetem Blick. «Haben Sie den Brief einwerfen können?»
«Ja. Als ich in die Gaststätte zurückkam, waren Sie schon weg, so dass ich mich nicht mehr für Ihre Freundlichkeit bedanken konnte. Fahren Sie zweiter Klasse?»
«Ich fahre, wo ich grade Lust habe. Ich bin Polizist. Machen Sie doch nicht so ein Gesicht – aus diesem Grund hat niemand Ihren Koffer mitgehen lassen. In Spanien darf man nicht so vertrauensselig sein. Bleiben Sie in Madrid, oder fahren Sie weiter?»
«Nein, ich will nach Madrid.»
«Darf ich
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