Katzensprung
der
Spurensicherung auf dem Elba-Gelände, die offensichtlich kaum ergiebig waren.
Ein paar uralte Zigarettenkippen und Papierfetzen, zerdrückte, ausgewaschene
Reste von Plastikflaschen, die im Gebüsch gefunden worden waren. Keine Handtasche,
kein Handy, nichts Ungewöhnliches. Die erste Ausbeute der Taucher war ähnlich
mager. Sie würden die Wupper bis zum Fundort der Leiche noch systematisch
absuchen, was mehrere Tage beanspruchen würde.
Der Polizeifotograf hatte Olga die Fotos der Leiche auf den Computer
gespielt, die sie zusammen mit Lepple und Stefan Bauer akribisch durchging. Das
Bild des Opfers blieb unscharf, sie hätten nicht sagen können, ob es
möglicherweise aus dem Milieu stammte oder eher bürgerlichen Kreisen zuzuordnen
war. Zwischendurch kontrollierte Olga immer wieder die Vermisstenmeldungen. Ein
Jugendlicher und eine ältere, offenbar verwirrte Frau waren in der näheren
Umgebung abgängig. In ganz Nordrhein-Westfalen niemand, auf den die Leiche auch
nur im Ansatz passen würde.
Die Gerichtsmedizin in Düsseldorf teilte mit, dass die Obduktion für
Sonntagmittag um zwölf Uhr angesetzt sei.
Olga fuhr todmüde nach Hause und versuchte, über ihr Headset Max zu
erreichen, bekam aber nur seine Mobilbox. Stattdessen rief Lenka an, deren Stimme
vor Empörung kippte. Die Spiegelfliesen, die Slatko am Samstagvormittag über
der Badewanne angebracht hatte, waren wieder heruntergekommen und zerbrochen,
die ganze Wanne war ruiniert.
»Kannst du nicht bei deine Polizei fragen, wo wir uns wenden können?
Papa sagt, ist kriminell, steht Fliesenkleber drauf und klebt nicht, haben wir
Recht auf Entschädigung. Willst du nicht Mućkalića essen und Schweinerei
angucken kommen, Olgiza?«
Olga seufzte, gab Gas und fuhr die kurvige Marienstraße hinauf.
Eigentlich war ihr nicht nach Spiegelscherben und dem ganzen damit verbundenen
Trara zumute, aber sie hatte keine Kraft, sich mit Lenka anzulegen. Außerdem
konnte sie eine Portion Muækaliæa für Max abstauben, und die Aussicht auf den
stundenlang geköchelten Fleisch-Eintopf, der einem auf der Zunge zerging, ließ
ihren Magen knurren und erinnerte sie daran, dass sie nur mittags ein Brötchen
hinuntergeschlungen hatte.
Sie stellte den Wagen auf ihrem Parkplatz am Hombüchel ab und joggte
zur Schusterstraße. Unterwegs ging wieder das Handy, diesmal war es Max, der
Spätdienst in der Wache Elberfeld hatte.
»Du hast angerufen. Hab von der Leiche gehört. Habt ihr schon
Ergebnisse?«
»Nein, noch nicht identifiziert, gar nichts. Ich geh kurz bei meinen
Eltern vorbei und mach mir einen faulen Abend, bin kaputt. Wenn du willst, komm
vorbei, ich bring dir von Mama was zu essen mit.«
»Aber klar, Süße, in einer Stunde bin ich da, hab gleich
Dienstschluss. Ich beeil mich.«
Emilio mio
Lepple steuerte den Wagen übel gelaunt zur forensischen
Pathologie in der Düsseldorfer Universitätsklinik. Aus seinen Andeutungen hörte
Olga heraus, dass seine Frau Stress machte, weil er sein Versprechen, an diesem
Sonntag mit zum Fußballturnier seines Ältesten zu gehen, zum wiederholten Mal
nicht halten konnte. Er jammerte während der ganzen Fahrt über die ständigen
Zerreißproben zwischen Familie und Beruf.
»Bei der zentralen Anzeigenbearbeitung suchen sie noch Leute, lassen
Sie sich doch versetzen. Da ist es zwar etwas langweiliger, aber man kommt
meistens pünktlich nach Hause«, fuhr Olga ihm über den Mund. Dieser Redeschwall
in dem hohen Singsang, nicht auszuhalten.
Er zuckte zusammen und schwieg beleidigt bis zur Autobahnabfahrt,
was Olga noch anstrengender fand als das ununterbrochene Gerede.
Die Leiche lag schon auf dem Seziertisch, als sie eintrafen. Der
Pathologe war wegen des Sonntagseinsatzes offenbar ebenso verstimmt wie Lepple.
Er begann unverzüglich mit der äußeren Leichenschau, dabei sprach er monoton in
sein Diktiergerät.
Auf dem bleichen Bauch des Körpers war etwas Dunkles zu erkennen,
eine Verschmutzung oder ein Tattoo. Der Pathologe inspizierte die Stelle mit
einer Lupe und reichte sie Olga. Über den Nabel war ein Herz mit einer
Inschrift tätowiert, etwa drei Zentimeter hoch und ebenso breit. Die Schrift
war schwierig zu entziffern, und sie brauchte eine Weile.
»›Emilio mio‹.« Olga richtete sich auf und reichte die Lupe Lepple.
»Da steht ›Emilio mio‹, ganz eindeutig. Das ist doch schon mal ein
Anhaltspunkt. Sie hat also einen Emilio geliebt.«
»Oder gehasst«, murmelte Lepple, der jetzt über dem Bauch der
Weitere Kostenlose Bücher