Katzensprung
kleines Gelände mit Kopfsteinpflaster und
Brombeerbüschen, die sich an altem Gemäuer hochrankten. Kein Müll oder Unrat
lag hier herum, wie man es an einem solchen Ort vermuten würde, es machte eher
den Eindruck, als wäre gerade sauber gemacht worden. Dazu kam der Regen.
Olga und Lepple inspizierten das Gelände, auf dem sich inzwischen
Pfützen gebildet hatten, und ihre Hoffnung, Blut-, Schleif- oder Kampfspuren zu
finden, zerschlug sich schnell. Der Hof wurde seitlich von einer etwa
mannshohen Mauer abgegrenzt, die an der Wupper endete. Das Ufer war an dieser
Stelle offen und nicht allzu hoch, sodass ein Körper ohne Probleme in den Fluss
geworfen werden konnte. Aber das war neben dem Anschlagen des Suchhundes auch
das einzige Indiz dafür, dass es sich um den Tatort handeln könnte.
»Traumhafte Spurenlage«, mäkelte Lepple, »wie sollen wir denn da
weiterkommen?«
Olga ignorierte ihn und bat die Spurensicherung, das Gelände und den
Uferbereich genau abzusuchen, dann bestellte sie die Taucher der
Bereitschaftspolizei, die sich den Fluss vornehmen sollten.
Lepple rief im Präsidium an und gab den Ort durch, damit der
Eigentümer ermittelt würde. Mit Olgas Wagen, in den Lepple sich stöhnend
hineinzwängte, fuhren sie noch einmal zum Sonnborner Ufer. Unterwegs sahen sie
im Gesträuch des Wupperufers einen Trupp Bereitschaftspolizisten, der sich in
Richtung Robert-Daum-Platz voranarbeitete.
Am Fundort wartete der Leichenwagen. Die Leiche lag schon im
Zinksarg, fertig zum Abtransport zur Gerichtsmedizin in Düsseldorf.
***
Trudi setzte den Topf mit Spaghettiwasser auf den Herd und
rührte in der Bolognese, die vor sich hin simmerte. In das Köcheln und Zischeln
mischte sich ein regelmäßiges Tock-Tock-Tock von Emilio, der eine Salatgurke in
Scheiben schnitt.
Trudi konnte sich nicht erinnern, mit ihm an einem Samstagmittag
jemals so einträchtig in der Küche gestanden zu haben. Seit dem Eklat vom
Vortag, nach dem Anruf dieser Frau, bemühte er sich um sie – Trudi hier, Trudi
da. Am Abend war er nur kurz in der Kneipe gewesen und hatte dann mit ihr vor
dem Fernseher gesessen, in der Nacht hatte er sie fest im Arm gehalten. Und nun
half er beim Kochen. Sie wusste gar nicht, wie ihr geschah. Auch heute hatte er
nur für die Kneipe eingekauft und war dann wieder nach Hause gekommen. Sein
Mitarbeiter Uwe schaffe es am Abend allein, hatte er gesagt. Das alles kam ihr
merkwürdig vor, fast, als hätte er vor irgendetwas Angst.
Die Sorge um Luna schwappte hoch, die sie über den Stress mit Emilio
manchmal verdrängt hatte. Ihre Tochter kam nach der Schule oft nicht nach Hause
und tauchte abends erst nach acht auf, nahm sich ein paar Brote mit ins Zimmer,
verschwand hinter dem Laptop und war nicht mehr ansprechbar. Trudis dringliche
Fragen wehrte sie zuerst mit Ausreden und Türenknallen, dann nur noch mit bösen
Ausbrüchen ab. Schließlich sei sie fünfzehn und kein Baby mehr.
Dann wieder war sie unvermittelt sonnig und träumte vor sich hin,
aber Trudi traute sich nicht zu fragen, an wen sie dachte. Sicher war es ein
Junge, die erste Liebe, manchmal kamen Trudi die Tränen bei dem Gedanken. Mehr
als alles andere schmerzte sie, dass ihre Kleine, ihr Ein und Alles, sich ihr
nicht mehr anvertraute und überhaupt unerreichbar war.
Heute war Luna, als Emilio einkaufen gewesen war, früher als sonst
an den Wochenenden aufgestanden und hatte sich gleich im Badezimmer
eingeschlossen. Trudi hatte eine Weile das Surren von Emilios Bartschneider
gehört, dann war Luna mit vollständig kahlem Kopf herausgekommen, kaum noch zu
erkennen, ein nackter Vogel, eine büßende Nonne. Die Piercings, die in ihren
plötzlich überdimensionalen Ohren und im Nasenflügel steckten, setzten sich wie
Pickel von ihrer dünnen Haut ab. Sie trug eine Plastiktüte, voll mit ihren
verfilzten, strohig weiß und bläulich gefärbten, an den Ansätzen dunkel
nachgewachsenen Haaren, und warf sie in den Mülleimer.
»Sag nichts«, hatte sie Trudi angefahren. »Das ist ganz allein meine
Sache, okay? Okay?«, hatte sie nachgesetzt und die Wohnungstür mit einem Knall
zugeworfen. Trudi hatte die Plastiktüte aus dem Mülleimer geholt, ihre Nase in
die Haare ihrer Tochter gesteckt und geweint.
»Wir müssen über Luna reden«, sagte sie zu Emilio. »Seitdem Clara
weg ist, kriege ich sie nicht mehr in den Griff. Ich weiß nichts mehr von ihr,
mit wem sie zusammen ist, was sie tut. Alle ihre Freundinnen seien Tussen, sagt
sie, aufgestylte
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