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Kauft Leute

Kauft Leute

Titel: Kauft Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Korssdorff
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fielen auch kritische Worte, aber insgesamt verbreitete die Sendung Vorfreude und Spannung, wie man sie auch an vielen Orten in der Stadt spüren konnte. In der Shopping City, die in unmittelbarer Nähe des neuen Markts lag, wurden Getränke-Gutscheine, Baseball-Caps und Luftballons verteilt, durch die Wiener Einkaufsstraßen war eine Flotte von Geländewagen im HÜMANIA-Design unterwegs, und auf einer großen Wiener Ausfahrtsstraße waren ausnahmslos alle Plakatstellen von HÜMANIA gebucht worden und zeigten das spezielle Angebot, das kein anderer hatte, samt seinen vielen verschiedenen Gesichtern … In den Biergärten, Pubs und Wirtshäusern hatte man Bildschirme aufgestellt, um die Bilder der Eröffnung zu zeigen, von einer privaten Fernsehstation übertragen. Als Höhepunkt würde ein Live-Konzert stattfinden, bei dem namhafte nationale Künstler auftreten sollten. Alle Einnahmen aus den Fernsehrechten gingen an eine Organisation, die Spenden für Hochwasser-Opfer in Asien sammelte. Noch bevor der Markt in Wien eröffnete, zeigte HÜMANIA so, welch hohen Stellenwert soziale Verantwortung und karitatives Engagement für das Unternehmen hatten.
    Familie Leitner saß um 8 Uhr in ihrem Haus beim Frühstück. Die Eltern Bernd und Angela aßen schweigend ihr Müsli und lauschten dem Interview mit einem Verbraucherschützer im Radio, der erklärte, wie die Transaktionen bei HÜMANIA abliefen und worauf man als Konsument zu achten hatte. Ihr Sohn Patrick schnitt währenddessen mit der Schere den Treuepunkt aus einer Schachtel Cornflakes und steckte ihn in ein Kuvert. Bernd wollte kein Wort des Gesprächs verpassen, trug er sich doch selbst mit dem Gedanken, heute oder irgendwann in den nächsten Tagen, wenn weniger los war, in dem neuen Markt einen Kauf zu tätigen. Bernd und Angela waren seit 15 Jahren verheiratet. Patrick war gerade 9 geworden. Nach seiner Geburt wollten Bernd und Angela eigentlich kein Kind mehr bekommen, aber vor zwei Jahren hatten sie doch wieder angefangen, es mit dem Verhüten nicht mehr so genau zu nehmen, und so rutschte die kleine Evi irgendwie durch und kam im Juli des Vorjahres zur Welt. Jetzt warteten sie darauf, dass sie ihre ersten Schritte machte, und auch Angela wollte wieder mobil werden. Ihr alter Job würde nicht ewig warten. Eine Nanny wäre die Lösung … Der Hauptgrund, warum sie heute zur Eröffnung des neuen Markts fahren wollten, war aber die Neugier wegen dem riesigen Trara, mit dem das alles angekündigt worden war.
    Um halb 9 läutete Angelas Mutter an, um die Kleine für den Tag zu sich zu holen. Bernd, Angela und Patrick starteten los und schon zwanzig Minuten später standen sie im Stau. Alle Zufahrtsstraßen rund um die Shopping City waren verstopft; Straßen, die auf den Ansturm Kaufwütiger an den Wochenenden vor Weihnachten ausgerichtet waren, kollabierten. Patrick legte sich auf die Rückbank und starrte an die Decke. Er wusste nicht, was so toll an diesem neuen Geschäft sein sollte. Offenbar gab es nämlich überhaupt keine
Sachen
dort! In der Schule hatten sie über den neuen Markt gesprochen, und seine Lehrerin hatte so gewirkt, als dürfte sie nicht sagen, was sie wirklich davon hielt. Sie schaute immer wieder aus dem Fenster und seufzte und sagte, der Geschichtsunterricht wisse die Antwort. Patrick kannte die Werbung aus dem Fernsehen, da sah man Menschen, die sich in ihrem Haus mit anderen Menschen unterhielten, die gar nicht da waren, und dann kam der Mann aus dieser Millionenquizsendung im Fernsehen und sagte, jetzt könne man die Lücke in seinem Leben schließen, oder irgendsowas. Auch nicht gerade aufregend. Patricks Freund Lukas sagte, sein Vater finde, dieser neue Markt sei eine einzige »Tittenparade« und »Fleischbeschau«. Patrick wollte wissen, was er damit meinte, aber weil keiner nachfragte, nickte er auch nur und spuckte auf den Schulhof. Wenigstens gab es ein Kinderkino dort, auch wenn Patrick die Erfahrung gemacht hatte, dass die Sachen, bei denen »Kinder« am Anfang stand, meistens nur ganz »nett« waren.
    Es dauerte volle 40 Minuten, bis sich die Leitners bis zur Einfahrt des HÜMANIA-Markts gestaut hatten. Das Erste, was Bernd sagte, als sie vor dem Gelände standen, war: »Brutaler Zaun!« Und tatsächlich war die Umzäumung, die das Grundstück umgab, von beeindruckender Höhe, und die eisernen Streben endeten in lanzenartigen Spitzen. Angela dachte sofort an den Sohn von Romy Schneider, der von einem Zaun aufgespießt worden war, sie

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