Kautschuk
zurück. »Besser als du!«
Noch ehe am nächsten Morgen Fortuyn sich beim Generaldirektor Kampendonk melden lassen konnte, bat ihn dessen Privatsekretärin, um neun Uhr bei Kampendonk zu erscheinen.
»Ich muß es aufs lebhafteste bedauern, Herr Doktor, daß Sie von der bevorstehenden Neuerung im Werk indirekt durch die Zeitung Kenntnis erhielten. Die Notiz wurde ohne unser Zutun veröffentlicht. Ich bin bereit, Ihnen volle Aufklärung zu geben.«
Fortuyn verneigte sich kurz. »Bitte, Herr Generaldirektor ...« »Schon vor längerer Zeit erfuhren wir von den uns nahestehenden Iduna-Werken in Wien, daß man dort einen gewissen Doktor Moran als Mitarbeiter verpflichtet habe, der im Begriff war, sich als Dozent zu habilitieren. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Chemosynthese des Kautschuks seien vielversprechend. Gelegentlich eines Besuches in Wien nahm unser Direktor Lindenberg von den Moranschen Arbeiten Kenntnis und gab uns einen so glänzenden Bericht, daß wir auch noch Direktor Bünger hinschickten. Auf Grund der übereinstimmend günstigen Gutachten beschloß das Direktorium, nach weiterer genauer Prüfung aller Unterlagen, einer Anstellung Doktor Morans näherzutreten. Dieser verhielt sich zunächst ablehnend, wobei rein persönliche Verhältnisse maßgebend waren. Mit Rücksicht auf die größeren Mittel und besseren Forschungsbedingungen in unseren Werken erklärte er sich aber schließlich bereit. Erst vor drei Tagen kam der formelle Vertragsabschluß zustande. Da dies auf den ersten Blick als eine gewisse Desavouierung Ihrer Person erscheinen könnte, war ich sofort entschlossen, Sie darüber zu informieren. Leider hat die voreilige Zeitungsnachricht nun meine Absicht vereitelt. Ich glaube, das dürfte Ihnen genügen?«
»Gewiß, Herr Generaldirektor. Es genügt mir vollkommen. Obgleich ich ...«
»Ich weiß: Sie wollen zum Ausdruck bringen, daß, wenn zwar nicht Ihre Person, so doch Ihr Verfahren dadurch beeinträchtigt würde. Dem ist nicht so. Sie arbeiten an Ihrer Heptansynthese ruhig weiter, wenn auch mit verkleinertem Assistentenstab. Was nun das Moransche Verfahren betrifft, so liegt die Sache folgendermaßen: Wir produzieren, ebenso wie viele andere Werke, nun schon seit Jahren Kautschuk auf der bekannten Butadienbasis. Angesichts der ungenügenden Rentabilität der bisherigen Methoden erschien es unbedingt geboten, die Moransche Erfindung, die einen bedeutenden Fortschritt verspricht, uns zu sichern. Dürften wir natürlich in absehbarer Zeit einen guten Enderfolg Ihrer Arbeiten erwarten, so hätten wir vermutlich von Morans Engagement absehen können. Aber Sie werden selbst eingestehen müssen, Herr Doktor, daß vom kaufmännischen Standpunkt aus unser Schritt durchaus verständlich ist. Sobald Ihre Synthese vollständig entwickelt ist, sind selbstverständlich alle anderen Verfahren überholt.«
Fortuyn erhob sich. »Gewiß, Herr Generaldirektor – ich gebe das zu. Es lag mir ja nur daran, die Klarheit zu bekommen, die Sie mir in so dankenswerter Weise gaben.«
Wittebold war nach dem Abendessen zu Schappmanns hinübergegangen. Die gute Luise saß neben dem Ofen in einem Korbstuhl, einen Strickstrumpf in den Händen. Aber die müden Finger wollten nicht recht. Immer wieder nickte sie ein, bis sie es schließlich satt bekam, die verlorenen Maschen aufzunehmen, und den grauen Kopf in das Kissen mit dem ›Ruhe sanft!‹ zurücklehnte.
Wittebold hatte zur Feier seines Dienstantritts ein paar Flaschen Bier mitgebracht. Sie saßen und sprachen über das Werk. Für Schappmann der einzige Gesprächsstoff.
»Was Sie mir da vorhin sagten, Kollege Wittebold, über einen neuen Herrn Moran aus Wien ... ja, das ist doch ‘ne merkwürdige Sache. Konkurrenz für Herrn Fortuyn oder Nachfolger? – Das ist man so mit den Herren Gelehrten. Da hat einer so’n feines Ding gedreht – schon holen se’n her. Aber wie lange dauert die Herrlichkeit, da haben sie wieder ‘nen Besseren gefunden. Wie viele Leiter von den Laboratorien hab’ ich schon kommen und gehen sehn!«
»Wie lange ist denn Doktor Fortuyn hier?« fragte Wittebold.
»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Er kam gerade am sechzigsten Geburtstag von meiner Luise – macht also drei Jahre und acht Monate. Sollte mir leid tun um Herrn Fortuyn, wenn er wegmüßte. War ‘n kulanter Mann! Na – ich werd’ nicht mehr die Ehre haben, unter dem Neuen zu dienen.«
Wittebold schaute nachdenklich dem blauen Rauch seiner Pfeife nach.
»Ist auch
Weitere Kostenlose Bücher