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Kaylin und das Geheimnis des Turms

Kaylin und das Geheimnis des Turms

Titel: Kaylin und das Geheimnis des Turms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Sagara
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1. KAPITEL
    V or langer Zeit, ehe der Drachenkaiser – manchmal von denen, die sich das Kriechen zur Lebensaufgabe gemacht hatten, der Ewige Kaiser genannt – die Gesetzeshallen erbaut und die entsprechenden Gesetze erlassen hatte, hatten die wütenden Drachen jene Idioten, die dumm genug waren, sie zu verärgern, einfach aufgefressen. Oder, wenn sie nicht schmeckten, zu einem sehr kleinen Haufen Asche verbrannt.
    Asche hatte den Vorteil, dass sie wenig bis gar keinen Papierkram erforderte.
    Marcus Kassan, Hauptmann der Falken – dem Zweig der Offiziere, der den Gesetzeshallen diente –, starrte finster auf einen Haufen Papiere, der ihn deutlich überragte, wenn man alle übereinanderstapelte. Keine schlechte Leistung, war doch Kassan selbst fast zwei Meter groß. Der unbändige Wunsch, alles zu zerfetzen, ließ seine Krallen immer wieder aus dem dicken Fell seiner Vorderpfoten schnellen.
    Der Wunsch, Caitlin nicht zu verärgern, jene Frau, die – insofern die Falken es gestatteten – Herrscherin des inneren Büros war, Zeitpläne aufstellte, Berichte einreichte und Dienstpläne und Lohnzettel vorbereitete, war nur ein
wenig
stärker. In ihrem Privatleben verweigerten Leontiner sich jeder Art von Papieren, normalerweise, indem sie darauf herumkauten, sie zerrissen oder verbrannten, wenn man sie nicht zum Auslegen der Kinderstuben gebrauchen konnte.
    Allerdings saß er auch schon fast eine ganze Stunde an seinem Schreibtisch. Er nahm an, die Stimmung würde umschlagen, ehe der Tag – der sich lang und quälend vor ihm ausstreckte – vorüber war.
    Caitlin lächelte ihn aus dem Nest, das sie aus dem Papierkram gebaut hatte, den sie selber tagein, tagaus ertragen musste, an. Es war ein scharfsinniges Lächeln, das auf den ersten Blick ruhig und süß wirkte. Das war Caitlin. Ganz und gar Mensch. Sie war schon seit Jahren bei ihm. Er war sich über ihren Wert durchaus im Klaren, die drei Bewerber vor ihr hatten es nur jeweils zwei Wochen, drei Wochen und vier Tage ausgehalten. Sie hatten alle wie Schwachsinnige gestammelt.
    Das liegt an der Angst
, hatte Caitlin gesagt, als sie sich um die Stelle beworben hatte. Sie war dünn wie ein Vogel und wirkte auf den ersten Blick zerbrechlich, und ihre Stimme war sanft und weiblich – ohne jedes Knurren und ohne Fangzähne. Aber sie hatte Rückgrat. Sie war eine von zwei Personen an den Schreibtischen, denen es gelang, ohne mit der Wimper zu zucken vor ihm stehen zu bleiben, wenn er mal wieder kurz vor einem Wutausbruch stand. Sie blinzelte kaum, und wenn, gab sie bedauerlicherweise seinem schlechten Atem die Schuld.
    Zu jeder anderen Jahreszeit war der Papierkram freiwillig. Die Gehaltsschecks und die Dienstpläne vielleicht nicht, aber er war Hauptmann genug, um wenigstens seine Unterschriften zu leisten, wenn er die Listen schon nicht selber erstellte. Nein,
dieses
heillose Durcheinander hatten sie den Feiertagen zu verdanken. Genehmigungen, von den Angestellten irgendeines Kaufmanns im kaiserlichen Palast fleißig abgeschrieben, waren von halb idiotischen Boten in Taschen herangetragen worden, die halb so groß wie Caitlin selbst waren. Taschen. Mehrzahl.
    Es waren aber nicht nur Genehmigungen. Auch die Bestimmungen der Feiertage schienen sich Jahr für Jahr zu ändern. Die Namen von wichtigen Ehrenträgern aus den am weitesten entfernten Winkeln des Kaiserreiches Ala’an und diplomatische Konzessionen waren ebenfalls in die gleichen Taschen gestopft worden. Letztere waren allerdings auf eine Art versiegelt, die “Sonderrechte” nur so herausbrüllte. Diplomatische Immunität.
    Marcus hasste die Feiertage. Die Stadt an sich war schon Problem genug, dazu noch Tausende von Ausländern in die Straßen zu lassen bettelte geradezu nach Ärger.
    Nicht nur das, während der nächsten zwei Wochen wurde auch jeder noch so alte, ausgelutschte Trick aufgefahren, mit dem man angeblich schnell reich werden konnte. Und unglücklicherweise kamen täglich neue halbseidene Maschen dazu. Die Beträge, die in den zwei Feiertagswochen in die Hauptstadt des Kaiserreiches flossen, waren schwindelerregend hoch, und jeder wollte seinen Anteil abhaben.
    Dem Schwertlord und den Männern, die seinem Befehl unterstanden, erging es wahrscheinlich noch schlechter, und das tröstete Marcus einen Augenblick lang. Er war Falke durch und durch; die Schwerter waren seine natürlichen Rivalen. Natürlich nicht seine Feinde. Sie alle dienten den Lords der Gesetze, und sie alle arbeiteten in den

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