Sagen aus Schlesien
Das Bild in der weißen Kapelle zu Oberglogau
Auf dem Weg von Oberglogau nach Leobschütz liegt eine kleine weiße Kapelle. Der Wanderer, der dort eintritt, um zu beten, läßt seinen Blick wohl sinnend auf dem Altarbild ruhen. Eine Edelfrau mit ihren Kindern und Dienerinnen ist dort dargestellt. Sie sitzen in einem altertümlichen Reisewagen. Die wild sich bäumenden Pferde rasen vorwärts, vor ihnen schäumen die hochangeschwollenen Fluten eines Flusses. Über allen schwebt in den Wolken das Bild der Gnadenmutter.
Früher lag dort, wo die Kapelle jetzt steht, ein dichter, dunkler Wald. Schlecht waren die Wege und schwankend die Brücken, die über den nahen wilden Fluß führten. Durch diesen Wald kam einst die Gräfin Oppersdorf mit ihren Kindern des Weges gefahren.
Schon waren sie mit dem schweren Wagen auf den holperigen Wegen bis Mochau gelangt. Da kam, als sie eben den Ort hinter sich ließen, ein heftiges Gewitter heraufgezogen. Gerade bei dem Flusse, der von heftigen Regengüssen hoch angeschwollen war, scheuten die Pferde vor einem grell niederfahrenden Blitz. Sie rasten auf die Fluten zu und ließen sich weder durch Rufe, noch mit dem Zügel bändigen. Hilflos sah die Gräfin sich und ihre Kinder dem schrecklichen Tod des Ertrinkens preisgegeben. In ihrer Verzweiflung zuckte ihr ein rettender Gedanke durch den Sinn: Gelobe Maria, die dir schon so oft geholfen hat, ein Kirchlein, und sie wird dich auch diesmal nicht verlassen! – Und wie von unsichtbaren Händen gehalten, standen die Pferde plötzlich, ließen sich auf den Weg zurückleiten und zogen nun ruhig und sicher den Wagen dem nahen Schlosse zu.
Verstört, aber wohlbehalten langten die Gräfin und ihre Kinder nebst den Dienerinnen in düsterer Nacht im Schlosse an. Der Graf empfing sie erleichterten Herzens. Denn er hatte alle schon lange erwartet und gefürchtet, daß ihnen ein Unglück zugestoßen sei. Nun erzählte ihm seine Gemahlin, wie sie tatsächlich in großer Lebensgefahr geschwebt seien und wie wunderbar sie die Muttergottes daraus gerettet habe. Auch daß sie ein Gelübde getan, dort ein Kirchlein zu bauen, teilte sie ihrem Gatten mit. Der Graf willfahrte dem Wunsch seiner frommen Gemahlin und ließ an der Stelle, wo die Pferde vor den Fluten stillhielten, eine Kapelle erbauen.
Zur Erinnerung an diese wunderbare Rettung steht heute noch das Bild am Altar und zeugt von Gottes Macht und Güte.
Das 'Hoawiif' in Brüssow
Auf dem Domänenamt Brüssow im Kreis Prenzlau lebte einst eine alte, zänkische Wirtschafterin, die so geizig war, daß sie den Leuten nicht einmal das trockene Brot gönnte. Dazu behandelte sie die Mägde überaus hart und prügelte sie oft unbarmherzig. Einmal ertappte die Alte eine Magd beim Naschen und geriet darüber so heftig in Wut, daß sie das arme Mädchen mit einem schweren Schlüsselbund erschlug. Die Untat kam aber an den Tag, und das böse Weib wurde zum Tode verurteilt.
Von dieser Zeit an wollte niemand mehr auf dem Gut wohnen; denn die Alte ging jede Nacht um und trieb zum Entsetzen aller einen greulichen Spuk. Bald hauste sie im Schweinestall, daß alle Schweine ängstlich grunzten und quiekten, bald rumorte sie im Hühnerstall herum, daß alles Federvieh in Angstgeschrei ausbrach; dann wieder lief sie, mit dem Schlüsselbund klirrend und fortwährend »Hoa! Hoa!« rufend, im Hause treppauf, treppab und durch alle Zimmer, daß den Hausbewohnern vor Furcht und Grauen die Haare zu Berg standen.
Da kam eines Tages ein reisender Scharfrichter durch das Städtchen; dieser hörte von dem Spuk und erbot sich, gegen Entgelt den bösen Geist zu vertreiben. Als man in seine Forderung einwilligte, stellte er sich, einen Sack über der Schulter und einen Knüttel in der, Hand, des Nachts auf die Lauer. Sobald sich die Alte hören ließ, jagte er sie in den Sack und prügelte sie fürchterlich. Sodann warf er den Sack über die Schulter und trug den Spuk zur Stadt hinaus. Weitab an der Karmzower Grenze liegt ein kleiner, sehr tiefer See, der Ganznow. Dorthin brachte der Scharfrichter das »Hoawiif« und wies ihr den See und seine buschigen Ufer zum ewigen Aufenthalt an.
Seither treibt die Alte dort am Ganznow ihr Unwesen und ängstigt und ärgert die Menschen auf mancherlei Weise.
Und wehe dem, der harmlos zum Bade in den stillen, tückischen Ganznow steigt; das Hoawiif zieht ihn an den Beinen in die Tiefe, die Wasser schließen sich über den allzu Wagemutigen, und nicht einmal sein Leichnam wird von den
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