Kebabweihnacht
als wären wir neureich!«
|40| VIERZEHN TAGE SPÄTER saß Umut bei den Rohowskys, vor sich lauter Broschüren und Tüten. »Diese Prospekte sind natürlich noch lange nicht auf dem Markt«, erklärte er fachmännisch, »wir haben sie bereits in den Händen, damit wir uns ein Bild machen können, wohin der Trend dieses Jahr geht. Wir können natürlich bei den ganz klassischen Dekorationen bleiben, in Gold oder Silber, oder wir gehen in die Lilatöne, die sind dieses Jahr sehr im Trend!«
»Was allerdings bedeuten könnte«, fügte er nach einer kleinen Pause hinzu, »dass der Trend nächstes Jahr nicht mehr en vogue ist und wir dann darüber nachdenken müssten, alles wieder neu zu machen.«
»Du bist ja ein richtiger Profi geworden«, stellte Heinz fest, »wie dir das ›en vogue‹ über die Lippen geht, das ist schon erste Sahne.«
»Das hat uns der Abteilungsleiter beigebracht«, entgegnete Umut. »Das musst du parat haben, wenn du hochwertige Kundschaft bedienen willst. Aber was meint ihr, was sollen wir nehmen?«
Heinz streifte mit seinem Blick Maria, bevor er antwortete: »Also ich bin der Meinung, wir sollten was Modisches nehmen, das Klassische haben wir |41| ja all die Jahre gehabt. Etwas Neues bringt frischen Wind in unser Weihnachtszimmer, und wenn der ganze Kram nächstes Jahr nicht mehr en vogue ist – er ließ sich den Ausdruck auf der Zunge zergehen –, dann machen wir alles wieder neu. Ich meine, in unserem Alter sollten wir jedes Weihnachtsfest genießen! Das heißt« – jetzt wandte er sich an Umut –, »wenn du bereit bist, uns weiterhin zu unterstützen!«
Umut strahlte! Als er antwortete, überschlugen sich die Worte: »Ja, klar, mache ich das. Sehr gerne sogar, ich meine, ich bin ja an der Quelle, dann können wir immer wieder schauen, was gerade so angesagt ist.«
»Du meinst wohl: en vogue«, scherzte Heinz.
»Ja, en vogue«, lachte Umut.
So war es beschlossene Sache, dieses Jahr alles Ton in Ton in Lila zu halten. Umut erklärte in einem fort, wie das aussehen könnte, hier der Baum, dort die Dekovasen mit farblich passendem Inhalt, am Fenster die Lichterketten mit weiterem Tand, der so runterhängen würde. Er überschlug die Summe, zog die Prozente ab, und legte einen Kostenvoranschlag auf den Tisch.
»Ich weiß nicht, wie du es siehst, Heinz«, sagte Maria und lächelte fein, »aber wenn du damit einverstanden bist, dann sind wir uns mit Umut handelseinig.«
»Es ist alles bestens«, stimmte Heinz zu, und auch er hatte dieses feine Lächeln um den Mund, von dem niemand hätte sagen können, ob es der Vorfreude |42| auf die schöne Weihnachtsdekoration geschuldet war oder dem gelungenen Coup. »Ich glaube, wir können Umut mit der Wahrnehmung unserer Weihnachtsinteressen beauftragen!«
Bei dem Wort »Weihnachtsinteressen« schaute Umut auf.
Maria nickte ihm aufmunternd zu: »Mach du nur mal, du weißt, wie geschwollen Heinz daherreden kann.«
Als Umut gegangen war, sahen sie sich an.
»Schau nicht so«, sagte Heinz und zwinkerte seiner Frau vergnügt zu. »Weihnachtsdekomäßig waren wir seit Jahren völlig rückständig. Wurde aber auch mal Zeit, dass wir auf den neuesten Stand gebracht werden.«
»Ja«, antwortete Maria, »dieses Ton-in-Ton-Lila wird dafür sorgen, dass wir während der vier Wochen der Weihnachtsinvasion keine psychedelischen Zuckungen und Sehstörungen bekommen!«
|43| ANFANG OKTOBER GING auch im Kaufhaus das Weihnachtsgeschäft langsam los. Viele Leute kamen schon jetzt, um die Weihnachtsdekoration in Ruhe zusammenzustellen. Umut war in seinem Element. Er fragte die Kunden nach der Ausstattung ihres Wohnzimmers, nach ihren Vorlieben, nach der Besetzung während der Weihnachtsfeier – schließlich war es wichtig zu wissen, welche Gäste zu Heiligabend dabei sein würden. Für eine kinderreiche Weihnachtsfeier würde sich eine andere Ausstattung anbieten als für eine Feier von Erwachsenen, von Alleinstehenden. Jede Beratung war für Umut etwas Besonderes. Er bot mehr als nur eine aufmerksame Bedienung, er bot Engagement. Umut war in dem Moment nicht der Verkäufer des Kaufhauses, er war für die kurze Zeit der Beratung ein Familienmitglied, das das Weihnachtszimmer ausstatten durfte.
Die Kundinnen – zu fünfundneunzig Prozent waren es Frauen, die seinen Rat einholten, Männern schien Weihnachten und alles, was damit zusammenhing, weniger wichtig zu sein –, die Kundinnen also sprachen ihn in der Regel an. In dem Moment, in dem Umut mit ihnen
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