Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
halbe Stunde lang reglos diesen Agamon hypnotisiert — also diesen Römer -, da fielen mir einfach die Augen zu. Selbst die größte Widerstandskraft geht einmal zu Ende. Finden Sie nicht?«
»Wie man's nimmt. Ich meinerseits bin aus ganz anderen Gründen eingeschlafen. Die Aufregung, die sich in mir angestaut hatte, war zuviel für mich.«
»Haben die Leute hinter Ihnen auch Bonbons gelutscht?«
»Nein.«
»Also woher die Aufregung?«
»Weil doch in allen Zeitungen stand, daß diese Frau etwas Außergewöhnliches ist, und wenn man sie sieht, so hat man ein Gefühl, als wäre man in einem... in einem...«
»In einem Heiligtum.«
»Danke. Ja. In einem Heiligtum.«
»Und das ist es eben. Wenn ich in einem Heiligtum sein will, dann gehe ich nicht ins Theater. Im Theater will ich im Theater sein und will keine Heiligtümer sehen, sondern das Leben. Besonders im Ballett.«
»Sehr richtig. Dabei wird im Ballett mit Vorliebe gestorben.«
»Na ja. Aber diese Stille.«
»Phantastisch.«
»Es war kaum zum Aushalten.«
»Ich sage Ihnen: Ich habe gelitten...«
»Offenbar geht's nicht anders.«
»Da kann man nichts machen.«
»Und die Symbole? Jede Bewegung, jedes Zucken, jede Sicherheitsnadel symbolisiert etwas.«
»Symbole sind etwas Beklemmendes.«
»Leider versteht man sie nicht immer.«
»Endlich wagt es jemand, das auszusprechen!«
»Einen Augenblick. Man versteht sie zwar nicht, aber das ist auch nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist, das intuitive Ego unserer synkopischen Struktur zu wecken.«
»Ja. Das ist ihre Aufgabe.«
»Zumindest nach Ansicht der Dummköpfe, die in den Zeitungen schreiben.«
»Diese Kretins.«
»Wo doch die Aufgabe der Symbole im Gegenteil darin besteht, uns von der figuralen Abhängigkeit zu befreien, nicht wahr?«
»Natürlich. Sonst wäre es ja sinnlos.«
»Was wäre sonst sinnlos?«
»Dieses Zeugs, von dem Sie vorhin gesprochen haben. Die Synkopen.«
»Was sind Synkopen?«
»Sie haben es ja schon gesagt.«
»Ach ja, ich erinnere mich. Aber wer versteht das schon?«
»Niemand. Ich gewiß nicht.«
»Warum sagen Sie es dann nicht?«
»Weiß der Himmel. Manchmal bringe ich es einfach nicht über mich, das zu sagen, was ich mir denke.«
»Warum? Ich würde glatt zugeben, daß das alles für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist.«
»Genau. Sieben Siegel.«
»Aber das ändert nichts daran, daß sie ein Genie ist.«
»Soviel steht fest.«
Anleitungen zur Bühnenlaufbahn
Junger Mann, Sie stehen im Begriff, die ersten Schritte auf jene Bretter zu unternehmen, von denen allgemein behauptet wird, daß sie die Welt bedeuten. Was Sie da vorhaben, ist ein Wahnsinnsakt und sichert Ihnen unsere tiefe Anteilnahme. Wir werden Ihre Laufbahn aufmerksam verfolgen und hoffen, Sie in großen Rollen zu sehen, die Ihrem Talent einigermaßen entsprechen. Da Art und Auswahl dieser Rollen für Ihre Karriere entscheidend sind, möchten wir Ihnen aus dem reichen Born unserer an den Ufern des Mittelmeeres gesammelten Erfahrung einige wertvolle Ratschläge zuteil werden lassen.
Vor allem müssen Sie versuchen, in Durchfällen aufzutreten, die Ihre kostbare Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen - was bei Erfolgsstücken sehr leicht geschehen kann. Ganz zu schweigen davon, daß es eine ebenso langweilige wie unwürdige Beschäftigung ist, Abend für Abend im selben Kostüm und auf derselben Bühne denselben Text herunterzuleiern. Dafür sollten Sie sich zu gut sein, junger Mann. Sie sind ja kein Papagei. Legen Sie's darauf an, in erfolglosen Stücken erfolgreiche Rollen zu spielen. Dann werden Sie persönlich von der Presse gelobt, und das Stück wird abgesetzt. Für diesen Zweck sind nebulose moderne Stücke besonders empfehlenswert, die einen frischen Wind auf die Bühne bringen, während im Foyer nach jedem Akt eine neue Serie von Freikarten verteilt werden muß. So sichern Sie sich künstlerische Anerkennung und freie Abende. Eine ideale Lösung.
Für einen jungen Schauspieler ist es andererseits ratsam, in klassischen Bühnenwerken aufzutreten, deren größtenteils in Versen geschriebene Dialoge durch die meisterhaften Übersetzungskünste zeitgenössischer Bühnenautoren restlos unverständlich werden. Nun gibt es aber in beinahe jedem Drama der klassischen Weltliteratur zwei oder drei kleine Rollen mit Prosatext. Tun Sie alles dazu, eine solche Rolle zu ergattern.
Sie werden zu den wenigen Darstellern des Abends gehören, die sich dem Publikum verständlich machen können,
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