Tödlicher Absturz: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Prolog
E ine Hundskälte da draußen«, kommentierte der Taxifahrer den eisigen Luftzug, der die muffige Luft im Wageninneren durchströmte. Zu seiner Verwunderung war der Fahrgast hinten eingestiegen, obwohl er die Beifahrertür bereits entriegelt und einen Spalt aufgestoßen hatte. Nach Mitternacht stellte kaum einer der Kollegen seinen Wagen irgendwo ab, ohne sich darin einzuschließen. Man konnte nie wissen – nicht in Frankfurt, nicht zu dieser Zeit.
»Allerdings«, brummte es von hinten, dann, etwas freundlicher, »na ja, es muss ja auch nicht das ganze Jahr über mild sein. Zum Museumsufer bitte, ich sage Ihnen dann drüben, wohin dort genau.«
Der cremefarbene Mercedes war zwei Jahre alt und sehr gepflegt. Er roch dezent nach Rauch und ein wenig nach Abgasen, so wie Taxis eben riechen, in denen Fahrer stundenlang herumsitzen und die verschiedensten Fahrgäste durch die Gegend chauffieren. Alkohol, Kotze, Kneipendunst und auch mal eine benutzte Heroinspritze – das waren nur einige der Spuren, denen man als Taxifahrer in dieser Stadt ausgesetzt war, und die abwaschbaren, regelmäßig imprägnierten Ledersitze waren daher ein Segen. Nicht auszudenken, wenn ein volltrunkener Gast seine Blase nicht mehr unter Kontrolle halten konnte und sich in gepolsterte Stoffsitze entleerte …
»Komme ich für fünf achtundachtzig denn überhaupt rüber zum anderen Mainufer?«, unterbrach die Stimme aus dem Fond den Gedankengang des Fahrers. Er zuckte zusammen und warf einen Blick auf die rote Digitalanzeige des Taxameters. »Na, rüber bestimmt«, überlegte er laut, »und sogar ein Stückchen weiter. Aber allzu weit reicht es wohl nicht, wegen der Nachtpauschale und so … Sie können mit EC-Karte zahlen, und mein Lesegerät akzeptiert auch die gängigen Kreditkarten.«
»Hätte ich Plastikgeld dabei, würde ich wohl nicht nach fünf achtundachtzig fragen«, erwiderte die Stimme mürrisch.
Der Fahrer zuckte mit den Schultern. Dann eben nicht. Er setzte den Blinker, nahm den Fuß etwas vom Gaspedal und ordnete sich auf die Rechtsabbiegespur ein.
»Ein Vorschlag«, setzte er erneut an. »Ich stelle mich an den Affentorplatz, da stehen die Chancen am besten, dass ich nicht zu lange warten muss. Wird dann zwar übers Limit gehen, aber das wäre okay für mich.«
»Hmm. Aber wir fahren über die Bubis-Brücke.«
»Jetzt sowieso, wir sind ja schon gleich dort.«
»Können Sie bitte ganz langsam rüberfahren?«
Der Taxifahrer runzelte die Stirn und warf einen prüfenden Blick in den Innenspiegel. Hinter dem Mercedes fuhr kein Fahrzeug, die Straßen waren ohnehin relativ leer.
»Solange keiner kommt, meinetwegen.«
Über dem Main schien ein leichter Dunst zu liegen, ansonsten war die Luft kristallklar, und die Lichter der rechts in den Blick kommenden Skyline strahlten in die Nacht. Ein Seufzen ertönte von hinten, zumindest kam es dem Fahrer so vor, und mit einem weiteren Blick in den zweiten Innenspiegel musterte er seinen Fahrgast. Er trug einen schwarzen Mantel, nicht zugeknöpft, darunter war ein weißes Hemd zu erkennen, keine Krawatte, aber ein dunkler Schal lag locker um den Hals. Handschuhe trug der Mann nicht, und eine Tasche hatte er auch nicht bei sich. Vielleicht einer dieser Workaholics, die weder Tageszeiten noch Feiertage kennen. Nur eben mal kurz ins Büro, und ehe man sich’s versieht, sind zwei Tage um, und man hat weder gegessen noch geschlafen, bestenfalls mal einen kurzen Augenblick, und dann steht man irgendwann nachts ohne Portemonnaie am Römer und friert sich den Hintern ab.
Ein weiteres Seufzen, eher ein schweres Atmen, das Taxi hatte gerade die Hälfte der Brücke überquert.
»Würden Sie kurz anhalten?«
»Nein, bedaure. Nicht mitten auf der Brücke.«
»Dann fahren Sie doch am Ende mal rechts ran.«
»Hören Sie, die Uhr läuft auch, wenn ich stehe«, mahnte der Fahrer. »Außerdem kommt hinter uns ein Auto, ich kann hier nicht weiter den Verkehr blockieren.«
»Schon gut, lassen Sie mich einfach am Ende raus.« Die Stimme klang wieder versöhnlich, und der Fahrer änderte daraufhin seine Meinung.
»Okay, meinetwegen fahre ich Sie auch noch mal hin und her, wenn Sie mögen. Sie glauben gar nicht, wie viele Leute unterwegs ein wenig Sightseeing geboten haben möchten. Aber danach fahre ich mit Ihnen direkt zum Affentorplatz, und Sie gehen endlich nach Hause. Sie werden ja wohl mal einen Tag ohne Ihr Büro auskommen.«
»Ich wohne nicht am Affentorplatz. Biegen Sie einfach
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