Kein bisschen Liebe
Großmutter getan hatte, als ich ein Kind war.
Ich erinnere mich sehr gut an die Einzelheiten jener Jahre, in den Fünfzigern, bevor das Chaos und die Diaspora anfingen. Es gab Stille, Einsamkeit, Bäume, Vögel. Und wenig Besuch. Fast gar keinen. Es war eine sehr kleine Welt. Ein Umkreis von höchstens einem Kilometer. Das machte die Dinge einfacher. Jetzt ist alles schwindelerregend. Die Welt ist chaotisch und riesengroß. Unermesslich.
Mittags rief mich Mariana an, eine alte Freundin. Sie war in der Nähe und wollte vorbeikommen, um Hallo zu sagen. Sie war mit Óscar unterwegs, ihrem Freund. Ich sollte ihn kennenlernen. »Klar, kommt vorbei«, sagte ich. Eine Stunde später waren sie da. Wir hatten uns seit Jahren nicht gesehen. In den vergangenen dreißig Jahren hatten wir ein paar sporadische Abenteuer. Ich war ganz wild auf ihre schönen großen Möpse und ihre rosa Brustwarzen, bedeckt von langen schwarzen Haaren. Eine schlanke, vollbusige Frau, sympathisch, intelligent, leidenschaftlich und sehr einfallsreich beim Sex. Seit sechs oder sieben Jahren hatten wir uns nicht mehr gesehen. Und da taucht die mit ihrem Freund auf. Sie stellt uns vor. Der Typ sagt zu mir:
»Freut mich. Óscar. Computerexperte. Das ist mein Job und ich finde es super.«
Es klang falsch. Es überzeugte mich nicht. Nach zwei Minuten fragte er mich:
»Stehst du auf Rum?«
»Also, äh … ja, manchmal.«
»Na klasse! Ich geh ‘ne Flasche kaufen. Bin gleich wieder da.«
Als wir allein waren, erging sich Mariana in heftigen Vorwürfen:
»Ich hasse es, wenn er säuft. Er hat viele Fehler, aber das ist der schlimmste.«
»Hahaha. Mensch, Marianita, und den findest du noch gut.«
»Es stimmt, dass er viele Fehler hat.«
»Was fehlt ihm denn? Hat er einen zu kurzen Schwanz?«
»Nee, ganz normal.«
»Steht er nicht drauf, sich vor deinen Augen einen runterzuholen? Ist er dir nicht pervers und sadistisch genug?«
»Nicht so wie du, hahaha.«
»Du bist immer noch ein geiles Flittchen. Stehst du noch auf schwarze Frauen? Ich werd nie den Dreier vergessen, als wir …«
»He, lass das! Dafür bin ich nicht hier.«
»Uff, ist ja gut, okay. Scheiße, ich hab schon wieder ganz schön einen stehen. Ich werd nie die knackarschige Schwarze vergessen, als du …«
»Ja, ja.«
Ich machte ein paar Schritte auf die Terrasse hinaus. Atmete. Entspannte mich. Relax, Baby, relax. Wir kamen auf unser Thema von vorher zurück.
»Na schön. Und was ist mit dir und Óscar?«
»Hab jetzt keinen Bock, darüber zu reden. Er muss gleich zurück sein.«
Wir redeten über irgendeinen Blödsinn. Nach zehn Minuten kam Óscar mit der Flasche wieder. Wir schenkten uns ein. Mariana wollte keinen Alkohol trinken. Sie nahm eine Cola. Auf dem Tisch lag ein Stück Karton mit einer Notiz. In der Nacht davor hatte ich, während ich mir einen Film ansah, Folgendes aufgeschrieben:
Weisheit
Gerechtigkeit Stärke
Nüchternheit
Marc Aurel
Dem Film zufolge waren das die Grundsätze eines römischen Kaisers. Óscar sah den Zettel und war begeistert von diesen Prinzipien. Er zog einen Kugelschreiber aus der Tasche und schrieb sie sich ab. Ich sagte ein paar Worte dazu. Einfach so. Um das Gespräch in Gang zu bringen. Wären Marianita und ich allein gewesen, hätten wir den ganzen Nachmittag geredet. Und vielleicht mehr als das, in Erinnerungen schwelgend. Aber Óscar war ein Klotz am Bein. Was für eine Nervensäge! Ich weiß nicht, wie das Gespräch auf Selbstmord kam. Der Typ kippte den Rum nur so runter und war schon ein bisschen betrunken. Er sagte zu mir:
»Es gibt drei perfekte Arten, sich umzubringen. Die anderen sind zu schmerzhaft.«
»Und welche?«
»Das Beste ist, sich eine Kugel durch den Gaumen zu jagen. Der perfekte Selbstmord. Dem, der sich das ausgedacht hat, sollte man ein Denkmal aufstellen. Zweitens: fünfzig Tabletten Diazepam und dann auf einen einsamen Berg wandern, bis man umfällt. Die dritte Option ist ein Strick, aber dann hast du zwei, drei Minuten Todesqualen und strampelst wie ein Schwein. Manche bepissen sich und scheißen sich in die Hose. Andere kriegen ‘nen Ständer, während sie verrecken. Strick finde ich nicht so super.«
»Du hast ja an alles gedacht.«
»Ja.«
Wir blieben eine Weile still sitzen. Marianita fragte mich nach meinen Kindern. Ich zeigte ihr einige Fotos. Wir tranken weiter. Óscar interessierte sich nicht für die Fotos. Er ging auf die Dachterrasse und vor zur Brüstung. Er sah auf die Straße
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