Kein bisschen Liebe
anständiges Häuschen zu kaufen.«
»Und allein zu wohnen?«
»Allein oder in Begleitung, aber in meinem Haus. Ich will etwas, das mir gehört. Ich will für mein Eigentum kämpfen. Ich will mich nicht bei einem Mann anlehnen wie all die anderen Frauen. Aber das kannst du nicht verstehen.«
»Wieso nicht? Ich verstehe das sehr gut. Und es gefällt mir. Mir steht es auch bis hier, dass sich die Frauen bei mir anlehnen. Und sie wollen dies und wollen das, und nie ist es genug. Je mehr ich gebe, desto mehr wollen sie.«
»Zur Zeit lehne ich mich ein bisschen bei dir an, aber …«
»Das ist nicht dasselbe. Ein paar Pesos dann und wann …«
»Ich habe schon Bescheid bekommen, dass es losgeht. In vier Tagen bin ich weg.«
»Endlich. Haben sie auch gesagt, wohin?«
»Belize.«
»Zwei Jahre?«
»Mindestens. Höchstens vier. Aber ich komme mit dem Geld für mein Haus wieder.«
Wir schweigen. Wir können daraus kein Drama machen. Und es gibt keine Alternativen. Sie hat Jahre auf diesen Vertrag gewartet.
»Ich wollte es dir persönlich sagen. Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden.«
»Ich werde nicht auf dich warten, Miriam. Ich meine, ich mache hier keinen auf Treue und Reinheit. Das ist eine zu lange Zeit. Du wirst deine Geschichten haben. Und ich die meinen. Aber ich hab’s im Gefühl, dass es mit uns noch weitergeht.«
»Ich glaube an ein Schicksal.«
»Ich will keine Abschiedsszenen. Ruf mich an, und wir verabschieden uns am Telefon.«
»Mensch, bist du ein trockener Hund.«
»Im Gegenteil. Ich mag nur keine Abschiede.«
Wir standen auf und zogen uns an. Sie rief im Krankenhaus an. Sie sprach kurz mit ihrer Schwester. Dann hängte sie ein und sagte:
»Ich fahre ins Krankenhaus. Meine Schwester ist seit zwei Tagen dort bei ihrem Mann.«
»Geht’s ihm nicht besser?«
»Nein. Er hat immer noch die Schmerzen und kann nichts essen. Nur Flüssignahrung. Ich werde ein paar Stunden auf ihn aufpassen, damit sie sich ausruhen kann.«
»Miriam, hier.«
Ich gab ihr fünfzig Dollar. Sie steckte sie ein.
»Gott sei Dank. Jetzt kaufe ich Fleisch und Eier.«
»Untersteh dich, das Geld für Schuhe und Klamotten auszugeben. Ich kenne dich. Du musst deine Anämie auskurieren.«
»Keine Sorge. Ich werd schon richtig essen.«
Wir umarmten und küssten uns. In unseren Augen standen Tränen. Ich sagte zu ihr:
»Ich lieb dich heiß und innig.«
»Ich dich auch. Und du verstehst mich.«
»Wir verstehen uns beide. Du warst achtzehn und ich fünfundzwanzig. Wie viel Zeit macht das?«
»Von achtzehn bis vierundvierzig, das macht …«
»Sechsundzwanzig Jahre.«
»Eine sehr lange Liebesgeschichte. Bis wann?«
»Bis ich sterbe, Miriam. Ich bin älter als du, ich sterbe bestimmt als Erster.«
Wir küssten uns weiter, und ich flüsterte ihr ins Ohr:
»Ich kann nicht das bisschen Liebe und Mitleid vergeuden, das ich noch habe.«
Sie trocknete sich die Tränen ab und flüsterte:
»Mir geht’s genauso. Manchmal denke ich, in mir ist nur noch Wüste. Wenn ich wiederkomme …«
»Das glaube ich auch. Du und ich – das war noch nicht alles. Pass gut auf dich auf … denk an Kondome.«
Sie brach in schallendes Gelächter aus:
»Du bist ein Zyniker, ein echter Hurensohn!«
»Dafür liebst du mich doch.«
Und dann ging sie. Ich blieb einen Augenblick wie erstarrt. Nur einen Moment lang. Ich trocknete mir die Tränen ab. Mit der Zungenspitze befühlte ich die Zahnlücke. Die abgebrochene Füllung ist an der Kante so scharf wie ein Dolch. Ich sollte so schnell wie möglich zum Zahnarzt. Dann ging ich hinein und schloss die Tür. Ich suchte ein Album von den Rolling Stones heraus. Es beginnt mit Heart of Stone. Ich drehte die Lautstärke voll auf.
Pedro Juan Gutiérrez
wird 1950 in Kuba geboren. Mit elf Jahren beginnt er als Eis- und Zigarettenverkäufer zu arbeiten, ist später fünf Jahre Soldat, arbeitet als Schwimm- und Kajaklehrer, als Zuckerrohrschneider und Landarbeiter, als Bauinstallateur und technischer Zeichner. Gutiérrez ist Maler, Bildhauer, Dichter und Journalist. Der Autor mehrerer Romane lebt in Havanna. 2002 erschien bei Hoffmann und Campe sein erster Roman »Schmutzige Havanna Trilogie«, der auch als Hörbuch erhältlich ist.
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