Bist du mein Kind? (German Edition)
Kapitel 1
Bist du mein Kind ?
von
Gilda Laske
Roman
2001 Mai Tag 1 in Frankreich
„Wolfgang, hast du die Landkarten eingepackt?“
„ Ja“
„Auch die mit den Wanderwegen in der Bretagne?“
„Ja“
„Hast du die Francs in mein Portemonnaie gepackt?“
„Jaaa“
„Dann pack die Kinder ins Auto, Timo in die Mitte in seine Babyschale, Maxi hinter den Fahrersitz und Leon will ganz hinten sitzen“,
„Jaaaaaa“.
„Hast du den Kinderwagen zusammengeklappt und in die Dachbox gequetscht?“
„ Boah, ja und jetzt komm, wir können fahren“.
Ich schließe die Tür ab und steige ins Auto. Geschafft! Nach 2 Tagen Chaos sitzen wir endlich im Auto und sind auf dem Weg in die Bretagne. Meine Französischlehrerin in der Sprachenschule hatte uns dringend ans Herz gelegt nach 3 Jahren Intensivkurs endlich in Frankreich französisch zu reden.
Auf geht’s. Kaum fahren wir auf die Autobahn, schläft Timo. Wunderbar dieses Kind. Unser Nesthäkchen. 9 Monate alt, ausgeglichen und immer gut gelaunt. Wären mal die beiden „Großen“ auch so unkompliziert. Leider haben wir hier zwei ausgesprochen dickköpfige Exemplare. Leon ist 6 und kommt im Sommer in die Schule. Ausgesprochen intelligent, wenig einfühlsam und immer mit dem Kopf durch die Wand. Seine Wortgewandheit versetzt uns immer wieder in Erstaunen. Maxi hingegen ist mit seinen 4 Jahren unser stiller Beobachter. Sehr nachdenklich, eher faul, aber saugt alles in sich auf und lernt im Stillen fürs Leben. Irgendwann wird er seinen großen Bruder überholen. Und auch er setzt seinen Willen durch.
Wolfgang, der Vater dieser drei Prachtexemplare kann sich manchmal nicht erklären, wie es uns gelungen ist, drei so verschiedene Charaktere in die Welt zu setzen.
Zehn Stunden Fahrt liegen hinter uns. Wir erreichen Le Guerno in der Bretagne. Traumhaft, ein kleiner Ort mit ca. 700 Einwohnern. Wir haben eine alte Scheune gemietet, die zu einem bäuerlichen Anwesen gehört. Die Eigentümer haben das Gebäude liebevoll restauriert und vermieten ausschließlich an Familien mit Kindern.
„Monika, guck noch mal in die Karte. Ich finde die Straße nicht.“ Na klar, mein lieber Herr Gemahl will natürlich nicht fragen. „Ich kann in der Karte auch nichts finden“.
„Na super, und nun?“
„Fahr ‘ran, ich frage mal“. „Ha, glaubst du, dass dein Französisch so gut ist?“
Nachdem wir eine weitere halbe Stunde durch Le Guerno gefahren sind, flüstert mein Göttergatte mir ins Ohr, ob ich nicht doch mal jemanden nach dem Weg fragen könnte.
Ich unterdrücke ein triumphierendes Grinsen und suche nach jemandem, der so aussieht, als wäre er von hier. Auf der rechten Straßenseite steht ein junges Mädchen.
Ok, Monika, tief Luft holen und sehen ob sich das Geld für die Sprachschule gelohnt hat: „Pardon, Mmseille, wir suchen den Hof von Familie Bricot, können Sie uns den Weg erklären?“
Und wahrhaftig, sie lächelt mich an und legt los. Außer „links“ und „Haus“ habe ich nichts verstanden. Sie strahlt mich an, ich strahle zurück und zucke mit den Schultern. Sie versteht und spricht nochmal sehr langsam. Juhu, jetzt weiß ich, wie wir fahren müssen.
Vier Minuten später fahren wir auf den Hof. Wir sind restlos begeistert. Leon will sofort aussteigen und Maxi sagt: „ So viele Tiere“. Timo gähnt unbeeindruckt.
Vor unseren Augen breitet sich eine Idylle aus, die aus einem Kinderbuch gesprungen zu sein scheint:
Ein komplett restaurierter Gutshof, den man nur durch das große Scheunentor erreichen kann. Die Klinke für die Tür ist ca. 1,50 Meter hoch. Kein Kind kann hier verloren gehen. Hühner und Enten laufen durch den Hof, ein Pony futtert Heu, wir sehen Katzen und Hunde. Unsere Augen können gar nicht alles auf einmal erfassen.
Wolfgang steigt aus. Maxi und Leon sind kaum zu halten. Sie schnallen sich ab und hüpfen aus dem Auto. Eine Minute später sitzt Maxi und krault den Hund und Leon versucht 4 Katzenbabies gleichzeitig zu streicheln. Ich bleibe noch einen Moment sitzen und beobachte die Szene. Schließlich packe ich Timo und mit ihm auf dem Arm geselle ich mich zu meinem Mann. Er ist platt. „ Kann es sein, dass wir in einem Werbefilm über französischen Agrartourismus gelandet sind? Das hier ist doch nicht echt, oder? Es riecht noch nicht mal nach Bauernhof.“
Ein Mann kommt über den Hof. Noch ein Klischee.
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