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Kein Durcheinander

Kein Durcheinander

Titel: Kein Durcheinander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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erschien. Die an den beiden Polen auslaufende Achse vertrat ein zur Ebene des Aequators senkrechter Strich, der mit den Buchstaben
N
und
S
bezeichnet wurde.
    Auf die rechte obere Ecke der Tafel – von dieser selbst aus gesehen – schrieb er die Zahl, welche den Erdumfang in Metern ausdrückt:
     
    40,000.000.
     
    Nachdem das geschehen, stellte J. T. Maston sich zurecht, die Reihe seiner Berechnungen zu beginnen.
    Er war davon so eingenommen, daß ihm das Aussehen des Himmels, welches sich im Laufe des Nachmittags stark verändert hatte, ganz entging. Schon seit einer Stunde zog langsam eines jener schweren Ungewitter herauf, dessen Einfluß sich auf die Organisation aller lebenden Wesen bemerkbar macht. Fahle Wolkengebilde, eine Art weißlicher Flocken, die auf mattgrauem Grunde lagerten, zogen schwerfällig über die Stadt hin. Entferntes Donnerrollen fand zwischen Erde und Himmel einen drohenden Widerhall. Einzelne Blitze durchzuckten bereits die Atmosphäre, deren elektrische Spannung aufs höchste gestiegen war.
    J. T. Maston, ganz in seine Aufgabe vertieft, sah nichts und hörte nichts.
    Plötzlich störte die elektrische Schelle durch ihr klingendes Rasseln die Stille des Arbeitszimmers.
    »Recht hübsch! rief J. T. Maston. Wenn die Störenfriede nicht mehr durch die Thür kommen können, so schleichen sie sich auf dem elektrischen Drahte herein… Wahrlich, eine nette Erfindung für Leute, welche in Ruhe zu bleiben wünschen!… Ich werde schon die Vorsicht gebrauchen müssen, die Leitung während der ganzen Dauer meiner Arbeit zu unterbrechen!«
    Er begab sich nach dem Mikrophon.
    »Was steht zu Diensten? fragte er.
    – Bitte um ein Gespräch von wenigen Augenblicken, antwortete eine weibliche Stimme.
    – Mit wem habe ich die Ehre?…
    – Haben Sie mich denn nicht erkannt, lieber Herr Maston? Ich bin’s… Mistreß Scorbitt.
    – Mistreß Scorbitt!… Ach, die läßt mich auch keine Minute in Ruhe!«
    Diese letzten, für die liebenswürdige Witwe wenig schmeichelhaften Worte murmelte er natürlich vorsichtig in einiger Entfernung, damit sie von der Schallplatte nicht etwa übertragen würden.
    Da J. T. Maston aber einsah, daß er doch mit einigen höflichen Worten erwidern mußte, sagte er laut:
    »Ah, Sie sind es, verehrte Mistreß Scorbitt?
    – Ja, lieber Herr Maston!
    – Und was wünschen Sie, Mistreß Scorbitt?
    – Ich möchte Sie aufmerksam machen, daß gleich ein schweres Unwetter über die Stadt losbrechen wird.
    – Ja, das kann ich aber doch nicht verhindern?…
    – Freilich nicht; doch ich möchte Sie bitten, die Fenster hübsch geschlossen zu halten«…
    Mrs. Evangelina Scorbitt hatte diesen Satz kaum vollendet, als ein furchtbarer Donnerschlag die Luft erschütterte. Es klang so, als ob ein ungeheures Stück Seidenstoff unendlich weit plötzlich zerrissen würde. Der Blitz war in der Nachbarschaft der Ballistic-Cottage niedergegangen und das durch den Telephondraht fortgeleitete Fluidum drang mit richtiger elektrischer Rücksichtslosigkeit auch in das Cabinet des Rechenmeisters ein.
    J. T. Maston, der sich eben über die Platte des Apparates beugte, erhielt die schönste Volta’sche Ohrfeige, welche jemals der Wange eines Gelehrten verabreicht wurde. Dann sprang der Funken auf seinen eisernen Armhaken über und er wurde davon wie ein leichtes Kartenhaus über den Haufen geworfen. Gleichzeitig flog die schwarze Tafel, gegen welche J. T. Maston anschlug, in die Ecke des Zimmers. Der Blitz fuhr endlich durch ein kaum sichtbares Loch in einer Fensterscheibe nach außen, erreichte hier ein metallenes Fallrohr und verlor sich an diesem in der Erde.
    Verdutzt – das wäre jeder Andere auch gewesen – erhob sich J. T. Maston wieder, rieb verschiedene Theile seines Körpers und überzeugte sich, daß er nirgends verletzt war. Ohne an seiner Kaltblütigkeit Einbuße erlitten zu haben, wie es sich für den alten Zielmeister der seligen Columbiade gehörte, brachte er in seinem Zimmer Alles wieder in Ordnung, richtete die Staffelei empor, setzte die Wandtafel darauf, sammelte die über den Teppich verstreuten Kreidestückchen und nahm seine so plötzlich unterbrochene Arbeit wieder auf, als wenn gar nichts vorgefallen wäre.
    Da bemerkte er aber, daß durch das Umstürzen der Tafel die Zahlenschrift auf der rechten Ecke, welche den Umfang des Erdäquators in Metern wiedergab, zum Theile verlöscht war. So begann er also diese wieder herzustellen, als die Klingel nochmals mit fieberhafter Hast

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