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Kein Durcheinander

Kein Durcheinander

Titel: Kein Durcheinander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bedrohen.
    Möge aber Niemand glauben, daß der mathematische Scharfsinn J. T. Maston’s sich mit dem Horizonte der elementaren Algebra begnügte. O nein! Weder die Differential-und die Integralrechnung noch die Variationen waren ihm fremd, und mit sicherer Hand zog er jenes berühmte Zeichen der Integration, jenen in seiner Einfachheit erschreckenden Buchstaben die Summe einer Unendlichkeit, unendlich kleiner Elemente.
     

    Dasselbe war der Fall mit dem Zeichen Σ, welches die Summe einer endlichen Zahl endlicher Elemente darstellt; mit dem Zeichen ~, durch welches die Mathematiker die Unendlichkeit ausdrücken, und mit allen jenen geheimnißvollen Symbolen, deren sich diese, gewöhnlichen Sterblichen unverständliche Sprache bedient.
    Kurz, der erstaunliche Mann wäre im Stande gewesen, sich leicht bis zu den letzten Sprossen der hohen Mathematik aufzuschwingen.
    Das ist das Bild dieses J. T. Maston; deshalb konnten seine Collegen volles Vertrauen hegen, wenn er daran ging, die wunderlichsten, seinen erfinderischen Hirnwindungen entsprossenen Aufgaben rechnerisch zu lösen. Das hatte auch den Gun-Club bestimmt, ihm das Problem der Entsendung eines Geschosses von der Erde nach dem Monde zu übertragen, und das war auch die Ursache, daß Mrs. Evangelina Scorbitt, geblendet von seinem Ruhme, ihm eine Bewunderung entgegenbrachte, welche schon nahe an Liebe grenzte.
    Im vorliegenden Falle – das heißt bezüglich der Lösung des Problems der Bezwingung des Nordpols – brauchte sich J. T. Maston gar nicht in die höchsten Regionen der Analyse zu versteigen. Um den neuen Concessionären der arktischen Gebiete deren Ausbeutung zu ermöglichen, sah sich der Schriftführer des Gun-Club nur vor die Lösung eines mechanischen Problems gestellt – eines Problems, das zweifelsohne seine Schwierigkeiten haben und geistvolle, vielleicht neue Formeln erfordern würde, welches er jedoch mit Ehren zu lösen hoffte.
    Ja, man konnte sich wohl auf J. T. Maston verlassen, obgleich der geringste Fehler seinerseits vielleicht den Verlust von Millionen bedeutete. Noch niemals seit dem Alter, wo sein Kinderkopf sich mit den Anfangsgründen der Arithmetik beschäftigte, hatte er sich einen Fehler – nicht einmal den eines Mikrons 1 – zu Schulden kommen lassen, wenn seine Rechnung gerade die Messung einer Längengröße betraf. Hätte er sich auch nur bei einer zwanzigsten Decimalziffer geirrt, so würde er nicht gezaudert haben, seinen Guttaperchaschädel in die Luft zu sprengen.
    Es kam uns darauf an, diese bemerkenswerthen Fähigkeiten J. T. Maston’s besonders hervorzuheben. Nachdem das geschehen, müssen wir ihn in Thätigkeit zeigen zu diesem Zwecke aber nothwendig um einige Wochen zurückgehen.
    Etwa einen Monat vor der Veröffentlichung des an die Bewohner der Alten und der Neuen Welt gerichteten Documentes hatte J. T. Maston es übernommen, die Elemente des in Frage stehenden Projectes, dessen wunderbare Consequenzen er seinen Clubgenossen so lebhaft geschildert, ziffermäßig festzustellen.
    Seit einer Reihe von Jahren schon wohnte J. T. Maston in Nr. 179 der Franklin-Street, einer der ruhigsten Straßen von Baltimore und fern von dem geschäftlichen Getriebe, von dem er nichts verstand, und von dem Lärmen der Menge, das ihn anwiderte.
    Er hauste in einer bescheidenen, unter dem Namen Ballistic-Cottage bekannten Wohnung, da seine Einkünfte ausschließlich einer Pension als Artillerie-Officier nur einem bescheidenen Honorar entstammten, welches er als Schriftführer des Gun-Club bezog. Hier lebte er so gut wie allein, bedient von seinem Neger Fire-Fire (Feuer – Feuer!) – ein Spitzname, der ja des Dieners eines Artilleristen würdig war. Dieser Neger war kein gedungener Diener, sondern so etwa das Bruchstück einer Bedienungsmannschaft, und er bediente seinen Herrn, wie er eine Kanone bedient hätte.
    J. T. Maston war Hagestolz aus Ueberzeugung, da er den Gedanken liebte, das Cölibat sei die einzige Daseinsform, welche in dieser sublunaren Welt noch zu ertragen sei. Er kannte das slavische Sprichwort: »Ein Weib zieht mehr an einem Haare, als vier Stiere an einem Lastkarren!« und hütete sich also.
    Wenn er die Ballistic-Cottage so allein bewohnte, war das nur sein eigenster Wunsch und Wille, denn wir wissen schon, daß er nur hätte eine entgegenkommende Bewegung zu machen brauchen, um seine Einsiedelei in eine »Zweisiedelei« und sein sehr mäßiges Vermögen in die Schätze eines Millionärs zu verwandeln. Er

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