Kein Durcheinander
Achse würde vollkommen lothrecht stehen zu der Ebene der kreisförmigen Bahn, welche sie um die Sonne beschreibt.
Uebrigens – wir glauben das hier besonders hervorheben zu müssen – sollten die Maßnahmen, zu welchen die Gesellschaft Barbicane und Compagnie zu verschreiten gedachte, um die derzeitigen Verhältnisse der Erde ihren Wünschen gemäß zu verändern, eine Verlegung ihrer Achse im eigentlichen Sinne nicht bewirken. Mechanisch vermöchte ja keine Kraft, so gewaltig sie auch wäre, ein derartiges Resultat zu erzwingen. Die Erde ist kein Huhn am Spieße, der sich um eine greifbare Achse dreht, welche man nur in die Hand zu nehmen und in andere Richtung zu bringen brauchte. Dagegen schien die Schaffung einer neuen Achse möglich – man könnte wohl sagen, leicht ausführbar – von dem Augenblicke an, wo der von Archimedes erträumte Stützpunkt und der von J. T. Maston erfundene Hebel diesen unternehmenden Ingenieuren zur Verfügung standen.
Da dieselben jedoch entschlossen schienen, ihr Geheimniß bis zum wirklichen Eintritt des neuen Zustandes der Dinge zu bewahren, so mußte man sich vorläufig damit begnügen, die daraus hervorgehenden Folgen näher ins Auge zu fassen.
Das unternahmen denn auch die Tagesblätter wie die Revuen, indem sie den Gelehrten ins Gedächniß zurückriefen und die Unwissenden darüber aufklärten, welcher Art auf dem Jupiter die Folgen der annähernden Perpendicularität seiner Achse auf der Ebene seiner Kreisbahn sein mußten.
Jupiter, ein Bestandtheil unserer Sonnenwelt, wie Merkur, Venus, Tellus (die Erde), Mars, Saturn, Uranus und Neptun, kreist in einer Entfernung von nahezu siebenhundertdreiundsiebzig Millionen Kilometern (= 5 1 / 2 Erdbahnhalbmessern) um den gemeinschaftlichen Mittelpunkt; sein Inhalt übertrifft den der Erde etwa vierzehnhundertmal.
Wenn es ein »jovianisches« Leben, d.h. wenn es Bewohner der Oberfläche des Jupiter giebt, so bietet ihnen genannter Planet gewisse Vortheile – Vortheile, welche bei Gelegenheit jenes der Reise nach dem Monde vorhergehenden Meetings in so helles Licht gesetzt worden waren.
Zunächst gleichen während der täglichen Umdrehung des Jupiters um sich selbst – welche übrigens nur 9 Stunden 55 Minuten nach unserem Zeitmaße in Anspruch nimmt – die Tage und Nächte, gleichviel unter welcher Breite, einander stets vollständig, d. h. es entfallen davon 4 Stunden 77 Minuten auf den Tag und 4 Stunden 77 Minuten auf die Nacht.
»Ei nun, bemerkten Diejenigen, welche an das Vorhandensein von Jupiterbewohnern glaubten, das muß ja den Leuten mit streng geregelten Gewohnheiten recht zupasse kommen; sie müssen sich einer solchen Gleichmäßigkeit doch mit Vergnügen unterwerfen.«
Nun wohl, dasselbe müßte auch auf der Erde der Fall sein, wenn der Präsident Barbicane seine Absichten durchzuführen vermochte. Nur würden, da die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde auf ihrer neuen Achse weder beschleunigt noch verlangsamt werden sollte und vierundzwanzig Stunden, wie früher, zwei aufeinander folgende Mittage trennten, Nächte und Tage auf jedem beliebigen Punkte unseres Sphäroïds genau je zwölf Stunden lang dauern. Abend-und Morgendämmerung würden die Tage um eine stets gleichlange Spanne Zeit verlängern. Man lebte dann also unter einem ewigen Aequinoctium, ganz wie ein solches gegen den 21. März und den 21. September für alle Breitenlagen der Erdkugel eintritt, wenn das Strahlengestirn seinen Bogen scheinbar in der Ebene des Aequators beschreibt.
»Die auffälligste und gleichzeitig interessanteste Erscheinung aber, bemerkten hierzu die Enthusiasten noch mit Recht, würde das Fehlen des Jahreszeitenwechsels sein.«
Thatsächlich kommen die jährlichen Veränderungen, welche wir unter den Bezeichnungen Frühling, Sommer, Herbst und Winter kennen, in Folge der Neigung der Achse auf die Ebene ihrer Bahn zu Stande. Die Jupiterbewohner wissen von solchen Jahreszeiten nichts – auch die Erdbewohner würden später nichts mehr davon wissen. Von dem Zeitpunkte ab, wo die neue Achse perpendiculär zur Ekliptik stand, konnte es keine Eis-und keine heiße Zone mehr geben, sondern die gesammte Erde erfreute sich dann der Verhältnisse einer einzigen gemäßigten Zone.
Die Ursache dazu ist in Folgendem zu suchen:
Was ist denn die heiße Zone? – Es ist derjenige Theil der Erdoberfläche, der von den Wendekreisen des Krebses und des Steinbocks eingeschlossen wird. Ueber allen Punkten dieser Zone erscheint die Sonne
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