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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Fotos überblicken konnte. Er deutete auf eins davon, auf einen etwa achtjährigen schwarzen Jungen.
    »William da. Er war neunzehnhundertachtzig bei uns. Er …«
    »Nein, war er nicht«, sagte seine Frau. »Er kam vierundachtzig zu uns. Weißt du nicht mehr, bei der Olympiade? Du hast ihm aus Alufolie eine Fackel gemacht.«
    »Ach ja, stimmt, vierundachtzig.«
    Bosch beugte sich in seinem Sessel vor. Allmählich wurde ihm der Platz am Feuer zu warm.
    »Fangen wir mit den drei an, die Sie erwähnt haben. Benny und die zwei anderen. Wie hießen sie mit vollständigem Namen?«
    Er bekam ihre Namen, und als er fragte, wie er sie erreichen könnte, bekam er für zwei von ihnen Telefonnummern, aber nicht für Benny.
    »Benny ist vor sechs Jahren gestorben«, sagte Audrey Blaylock. »Multiple Sklerose.«
    »Das war sicher schwer für Sie.«
    »Wir hatten ihn sehr ins Herz geschlossen.«
    Bosch nickte und wartete, bis eine angemessene Phase des Schweigens verstrichen war.
    »Ähm, wer sonst noch? Haben Sie denn keine schriftlichen Aufzeichnungen darüber, wer bei Ihnen war und wie lange?«
    »Doch, aber nicht hier«, sagte Blaylock. »Das ist alles in L. A. eingelagert.«
    Plötzlich schnippte er mit den Fingern.
    »Wissen Sie, wir haben eine Liste mit den Namen aller Kinder, denen wir geholfen oder zu helfen versucht haben. Darauf sind nur die Jahre nicht aufgeführt. Aber auf jeden Fall könnten wir den Kreis etwas einengen – wäre Ihnen damit geholfen?«
    Bosch merkte, dass Audrey Blaylock ihrem Mann einen kurzen bösen Blick zuwarf. Ihr Mann bekam ihn nicht mit, aber Bosch schon. Er wusste, sie versuchte instinktiv, ihre Kinder vor der Bedrohung zu schützen, die Bosch darstellte, ob sie nun real war oder nicht.
    »Ja, das wäre eine große Hilfe.«
    Blaylock verließ das Zimmer, und Bosch sah seine Frau an.
    »Sie möchten nicht, dass Ihr Mann mir diese Liste gibt. Warum nicht, Mrs. Blaylock?«
    »Weil ich glaube, dass Sie nicht ganz ehrlich mit uns sind. Sie suchen nach etwas. Etwas, das zu dem passt, was Sie brauchen. Sie fahren nicht wegen einer ›Routinevernehmung‹, wie Sie es nennen, mitten in der Nacht drei Stunden von Los Angeles hier rauf. Sie waren nicht alle Engel, als sie zu uns kamen. Und ich möchte nicht, dass einer von ihnen bloß aufgrund dessen, was er war oder von woher er kam, irgendeiner Sache beschuldigt wird.«
    Um sicherzugehen, dass sie fertig war, wartete Bosch.
    »Mrs. Blaylock, waren Sie mal in der McClaren Youth Hall?«
    »Natürlich. Mehrere unserer Kinder kamen von dort.«
    »Dort war ich als Kind auch. Und bei einer Reihe von Pflegeeltern, bei denen ich es nie lang aushielt. Ich weiß also, wie diese Kinder waren, weil ich selbst eins war, ja? Und ich weiß, dass manche Pflegeeltern sehr liebevoll sein können, manche aber auch genauso schlimm oder sogar noch schlimmer als der Ort, von dem man weggeholt wurde. Ich weiß, dass es einigen Pflegeeltern um die Kinder geht und anderen um die Unterhaltszahlungen von den Children’s Services.«
    Sie schwieg eine Weile, bevor sie erwiderte: »Das spielt keine Rolle. Sie haben es trotzdem darauf abgesehen, Ihr Puzzle mit irgendeinem beliebigen Teil, das Ihnen gerade in den Kram passt, zu Ende zu kriegen.«
    »Da täuschen Sie sich, Mrs. Blaylock. Und zwar sowohl im Hinblick auf den Fall wie auf mich.«
    Blaylock kam mit etwas zurück, das aussah wie ein grüner Schulordner. Er legte ihn auf den quadratischen Couchtisch und öffnete ihn. Seine Fächer waren voll mit Fotos und Briefen. Trotz der Anwesenheit ihres Mannes fuhr Audrey Blaylock fort: »Mein Mann war wie Sie bei der Stadt angestellt, deshalb wird er nicht gern hören, was ich jetzt sage. Aber, Detective, ich traue weder Ihnen noch den Gründen, aus denen Sie angeblich hier sind. Sie sind nicht ehrlich zu uns.«
    »Audrey!«, japste Blaylock. »Der Mann tut nur seine Pflicht.«
    »Und er wird uns das Blaue vom Himmel herunterlügen, um sie tun zu können. Und nicht davor zurückschrecken, einem unserer Kinder weh zu tun, wenn es sein muss.«
    »Audrey, bitte.«
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Bosch zu und reichte ihm ein Blatt Papier. Darauf befand sich eine handschriftliche Liste mit Namen. Bevor Bosch sie lesen konnte, nahm Blaylock das Blatt Papier zurück und legte es auf den Tisch. Er machte sich mit einem Bleistift daran zu schaffen und hakte einige der Namen ab. Während er das tat, sagte er: »Wir haben diese Liste gemacht, um nicht den Überblick über die Kinder zu

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