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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Nähe?«
    Guyot sagte nichts. Bosch wartete.
    »Ich versuche mich zu erinnern«, sagte Guyot. »Ich weiß, dass ich es weiß.«
    »Lassen Sie sich ruhig Zeit, Doktor«, sagte Bosch, obwohl er ganz und gar nicht wollte, dass Guyot das tat.
    »Ach, da fällt mir ein, Detective. Weihnachten. Ich bewahre alle Karten, die ich bekomme, in einer Schachtel auf. Damit ich weiß, wem ich nächstes Jahr schreiben muss. Das hat sonst immer meine Frau gemacht. Ich gehe die Schachtel mal kurz holen. Audrey schickt mir immer noch jedes Jahr eine Karte.«
    »Holen Sie die Schachtel, Doktor. Ich warte so lange.«
    Bosch hörte, wie das Telefon weggelegt wurde. Er nickte sich selbst zu. Er würde es hinkriegen. Er überlegte, was diese neue Information bedeuten könnte, beschloss dann aber zu warten. Er würde Informationen sammeln und sie hinterher durchgehen.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis Guyot ans Telefon zurückkam. Bosch wartete die ganze Zeit mit gezücktem Stift, um die Adresse auf den Notizzettel zu schreiben.
    »So, Detective Bosch, hier habe ich sie.«
    Guyot gab ihm die Adresse, und fast hätte Bosch laut geseufzt. Don und Audrey Blaylock waren nicht nach Alaska oder in eine andere entlegene Weltgegend gezogen. Sie waren weiterhin mit dem Auto zu erreichen. Er dankte Guyot und legte auf.
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    1 * (Foster ist ein geläufiger englischer Familienname, kann aber auch Pflegekind bedeuten, Anm. d. Übs.)

49
    Am Samstagmorgen um acht Uhr saß Bosch in Lone Pine, das drei Stunden nördlich von Los Angeles am Fuß der Sierra Nevada lag, in seinem Slickback und beobachtete ein kleines Holzhaus in einer Straße einen Block hinter der Hauptstraße des Orts. Er trank aus einem Plastikbecher kalten Kaffee und hatte einen zweiten bereit stehen, wenn der erste leer wäre. Seine Knochen schmerzten von der Kälte und von einer Nacht, in der er zunächst am Steuer gesessen und dann im Wagen zu schlafen versucht hatte. Er war zu spät in dem kleinen Ort in den Bergen eingetroffen, um noch ein offenes Motel zu finden. Außerdem wusste er aus Erfahrung, dass man am Wochenende besser nicht ohne Reservierung nach Lone Pine kam.
    Bei Tagesanbruch sah er, wie sich die blaugrauen Berge aus dem Dunst hinter dem kleinen Ort erhoben und ihn zu dem machten, was er war: bedeutungslos im Angesicht der Zeit und des natürlichen Gangs der Dinge. Bosch sah zum Mt. Whitney hoch, dem höchsten Gipfel Kaliforniens, und wusste, der Berg war schon lange da gewesen, bevor ihn zum ersten Mal ein menschliches Auge erblickt hatte, und er würde noch lange da sein, wenn sich das letzte geschlossen hätte. Irgendwie machte es ihm das leichter, zu wissen, was er wusste.
    Bosch hatte Hunger und wäre gern auf ein Steak mit Eiern in eins der Diner im Ort gegangen. Aber er durfte seinen Posten nicht verlassen. Wenn man von L. A. nach Lone Pine zog, dann nicht nur, weil man von den Menschenmassen, dem Smog und der Hektik der Großstadt genug hatte, sondern auch, weil man die Berge liebte. Und Bosch wollte nicht riskieren, Don und Audrey Blaylock zu verpassen, weil sie zu einer Bergwanderung aufbrachen, während er gerade frühstücken war. Er gab sich damit zufrieden, den Motor zu starten und fünf Minuten lang die Heizung laufen zu lassen. So hatte er die Wärme und das Benzin schon die ganze Nacht rationiert.
    Bosch beobachtete das Haus und wartete, dass ein Licht anging oder jemand die Zeitung holte, die zwei Stunden zuvor von einem vorbeifahrenden Pickup in die Einfahrt geworfen worden war. Es war eine dünne Zeitungsrolle. Bosch wusste, es war nicht die L. A. Times. Die Leute in Lone Pine interessierten sich nicht für Los Angeles oder seine Morde und seine Detectives.
    Um neun sah Bosch Rauch aus dem Schornstein des Hauses aufsteigen. Wenige Minuten später kam ein etwa sechzigjähriger Mann in einer Daunenweste nach draußen und holte die Zeitung. Nachdem er sie aufgehoben hatte, schaute er zu Boschs Auto die Straße hinunter. Dann ging er wieder nach drinnen.
    Bosch wusste, dass sein Auto auffiel. Er hatte nicht versucht, sich zu verstecken. Er wartete nur. Er startete den Motor und fuhr zum Haus der Blaylocks und bog in die Einfahrt.
    Als Bosch die Tür erreichte, öffnete sie der Mann, den er kurz zuvor gesehen hatte, noch bevor er klopfen konnte.
    »Mr. Blaylock?«
    »Ja, der bin ich.«
    Bosch zeigte seine Dienstmarke und seinen Ausweis.
    »Könnte ich vielleicht ein paar Minuten mit Ihnen und Ihrer Frau sprechen? Es geht um Ermittlungen, die ich gerade

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