Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
neunzehnhundertachtzig dort wohnen.«
    Audrey Blaylock lächelte herzlich.
    »Ach ja, Paul, ein sehr netter Mann. Wir kriegen immer noch Weihnachtskarten von ihm, auch jetzt noch, obwohl seine Frau gestorben ist.«
    Bosch nickte.
    »Aber natürlich war er für uns zu teuer. Meistens brachten wir unsere Kinder in die Kliniken. Aber wenn es am Wochenende einen Notfall gab oder wenn Paul zu Hause war, war er immer für uns da. Heutzutage haben ja manche Ärzte Angst, irgendetwas zu machen, weil sie – verzeihen Sie, ich schweife schon ab wie mein Mann, und Sie sind ja nicht hergekommen, um das zu hören.«
    »Das macht doch nichts, Mrs. Blaylock. Ähm, Sie haben eben Ihre Kinder erwähnt. Ich habe von verschiedenen Nachbarn gehört, dass Sie beide Pflegekinder bei sich aufgenommen haben. Stimmt das?«
    »Aber ja«, sagte sie. »Don und ich haben fünfundzwanzig Jahre lang Kinder aufgenommen.«
    »Das ist ja wirklich, äh, beachtlich. Bewundernswert. Wie viel Kinder waren das insgesamt?«
    »Das so genau zu überblicken ist nicht ganz einfach. Einige hatten wir mehrere Jahre, andere nur ein paar Wochen. Zum großen Teil hing das von den Launen der Jugendgerichte ab. Es brach mir jedes Mal von neuem das Herz, wenn wir gerade anfingen, mit einem Kind warm zu werden, wissen Sie, wenn es an den Punkt kam, dass es sich bei uns geborgen und wie zu Hause fühlte, und dann wurde dieses Kind vom Gericht wieder nach Hause geschickt oder zum anderen Elternteil oder sonst wohin. Ich sage immer, um Pflegekinder aufzunehmen, muss man ein großes Herz mit einer dicken Hornhaut haben.«
    Sie sah ihren Mann an und nickte. Er erwiderte ihr Nicken und ergriff ihre Hand. Er sah wieder Bosch an.
    »Einmal haben wir sie alle zusammengezählt«, sagte er. »Insgesamt hatten wir achtunddreißig Kinder bei uns aufgenommen. Aber realistisch betrachtet, muss man sagen, dass wir nur siebzehn von ihnen aufgezogen haben. Das waren die Kinder, die so lang bei uns waren, dass es eine nachhaltige Wirkung auf sie hatte. Alle von zwei Jahren aufwärts bis – ein Kind war vierzehn Jahre bei uns.«
    Er drehte sich so, dass er die Wand über der Couch sehen konnte, und deutete auf ein Foto eines Jungen in einem Rollstuhl. Er war sehr schmächtig und trug eine dicke Brille. Seine Handgelenke waren extrem stark abgewinkelt. Sein Lächeln war schief.
    »Das ist Benny«, sagte er.
    »Erstaunlich«, sagte Bosch.
    Er zog einen Notizblock aus der Tasche und schlug eine leere Seite auf. Er holte einen Stift heraus. In diesem Moment begann sein Handy zu trällern.
    »Das ist meines«, sagte er. »Lassen Sie sich davon nicht stören.«
    »Möchten Sie denn nicht drangehen?«, fragte Blaylock.
    »Der Betreffende kann eine Nachricht hinterlassen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass so weit oben in den Bergen überhaupt ein Empfang möglich ist.«
    »Doch, doch, wir kriegen sogar Fernsehen.«
    Bosch sah Blaylock an und merkte, dass seine Bemerkung irgendwie beleidigend gewesen war.
    »Entschuldigung, das war eben in keiner Weise geringschätzig gemeint. Aber könnten Sie mir vielleicht sagen, welche Kinder neunzehnhundertachtzig bei Ihnen gewohnt haben.«
    Es kam zu einem Moment, in dem alle sich gegenseitig ansahen und niemand etwas sagte.
    »Ist eins unserer Kinder in diese Geschichte verwickelt?«, fragte Audrey Blaylock.
    »Das weiß ich nicht, Ma’am. Ich weiß nicht, wer alles bei Ihnen gelebt hat. Wie gesagt, wir versuchen ein Profil der Gegend zu erstellen. Wir müssen genau wissen, wer dort alles gewohnt hat. Und von da machen wir daran weiter.«
    »Also, da kann Ihnen sicher die Division of Youth Services helfen.«
    Bosch nickte.
    »Sie heißen jetzt übrigens anders. Inzwischen nennen sie sich Department of Children’s Services. Und Sie können uns erst frühestens am Montag helfen, Mrs. Blaylock. Hier geht es um einen Mord. Wir brauchen diese Information jetzt gleich.«
    Wieder trat eine Pause ein, als alle sich ansahen.
    »Also«, sagte Don Blaylock schließlich, »es ist nicht so ganz einfach für uns, zu sagen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt bei uns war. Ein paar Kinder nehmen da natürlich eine Sonderstellung ein. Wie Benny und Jodi und Frances. Aber jedes Jahr hatten wir auch ein paar Kinder, die uns, wie Audrey schon gesagt hat, einfach reingesetzt und dann wieder weggenommen wurden. Bei denen ist die Sache etwas problematisch. Lassen Sie mich mal überlegen, neunzehnhundertachtzig …«
    Er stand auf und drehte sich so, dass er die Wand mit den

Weitere Kostenlose Bücher