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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Ermittlungen waren noch nicht abgeschlossen, erwähnte es aber nicht. Es war nicht sein Fall.
    Der Schritt, den Dr. Guyot anschlug, strafte sein Alter und seine scheinbare Verfassung Lügen. Er ließ den Hund das Tempo bestimmen und war Bosch und Brasher bald einige Schritte voraus.
    »Wo waren Sie vorher?«, sagte Bosch an Brasher gewandt.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie sagten doch, Sie sind neu in der Hollywood Division. Wo waren Sie vorher?«
    »Ach so. Auf der Academy.«
    Er sah sie überrascht an. Offensichtlich musste er seine Altersschätzung etwas revidieren.
    Sie nickte und sagte: »Ich weiß, ich bin nicht mehr die Jüngste.«
    Bosch wurde verlegen.
    »Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Ich dachte nur, Sie wären woanders gewesen. Sie wirken nicht wie eine Anfängerin.«
    »Ich bin erst mit vierunddreißig zur Polizei gegangen.«
    »Wirklich? Nicht schlecht.«
    »Ja. Mich hat’s erst ziemlich spät gepackt.«
    »Was haben Sie vorher gemacht?«
    »Ach, alles Mögliche. Hauptsächlich rumgereist. Hab eine Weile gebraucht, um rauszufinden, was ich wirklich will. Und möchten Sie wissen, was ich am liebsten machen würde?«
    Bosch sah sie an.
    »Was?«
    »Was Sie machen. Mordfälle.«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte, ob er sie ermutigen oder davon abbringen sollte.
    »Na, dann viel Glück«, sagte er.
    »Ich meine, ist das für Sie denn nicht der mit Abstand befriedigendste Job? Schauen Sie doch, was Sie machen, Sie nehmen die übelsten Typen aus dem Spektrum.«
    »Dem Spektrum?«
    »Aus dem gesellschaftlichen Spektrum.«
    »Na ja, vielleicht. Wenn wir Glück haben.«
    Sie holten Dr. Guyot ein, der mit dem Hund am Wendekreis stehen geblieben war.
    »Ist das die Stelle?«
    »Ja. Hier lasse ich sie immer von der Leine. Sie ist dort hoch gelaufen.«
    Er deutete auf ein unbebautes, verwildertes Grundstück, das zunächst auf einer Ebene mit der Straße verlief, dann aber steil anstieg. Der große Betonschacht eines Abflusskanals erklärte, warum das Grundstück unbebaut geblieben war. Es gehörte der Stadt und diente dem Zweck, bei heftigen Regenfällen die Wassermassen abzuleiten und von den Häusern an der Straße fernzuhalten. Viele Straßen im Canyon waren ehemalige Bach- und Flussbetten. Ohne diese Abflusskanäle wären sie wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt worden, wenn es stark regnete.
    »Wollen Sie da jetzt rauf?«, fragte der Arzt.
    »Jedenfalls will ich es mal versuchen.«
    »Ich komme mit«, sagte Brasher.
    Bosch sah sie an, dann hörte er ein Auto und drehte sich um. Es war der Streifenwagen. Er hielt an, und Edgewood kurbelte das Fenster runter.
    »Ganz heiße Sache, Partner. HD.« Er deutete auf den leeren Beifahrersitz. Brasher runzelte die Stirn und sah Bosch an.
    »Ich hasse häusliche Dispute.«
    Bosch grinste. Er hasste sie auch, vor allem, wenn Morde daraus wurden.
    »Tja, wirklich schade.«
    »Dann vielleicht ein andermal.«
    Sie ging vorne um den Streifenwagen herum.
    »Hier«, sagte Bosch und hielt ihr die Taschenlampe hin.
    »Ich habe noch eine zweite im Auto«, sagte sie. »Geben Sie sie mir einfach bei Gelegenheit wieder zurück.«
    »Wirklich?«
    Er war versucht, sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen, tat es aber nicht.
    »Ja, wirklich. Viel Erfolg.«
    »Ihnen auch. Seien Sie vorsichtig.«
    Sie lächelte ihn an und ging dann rasch um den Wagen herum. Sie stieg ein, und der Streifenwagen fuhr los. Bosch wandte sich wieder Guyot und dem Hund zu.
    »Eine attraktive Frau«, sagte Guyot.
    Bosch ging nicht darauf ein, aber er fragte sich, ob der Arzt die Bemerkung gemacht hatte, weil er Boschs Reaktion auf Brasher bemerkt hatte. Er hoffte, es wäre ihm nicht so deutlich anzusehen gewesen.
    »Also gut, Doktor«, sagte er, »dann lassen Sie den Hund mal von der Leine, und ich versuche, ihm zu folgen.«
    Guyot tätschelte dem Hund die Brust und klinkte die Leine aus.
    »Braves Mädchen, such den Knochen. Los! Such!«
    Der Hund schoss auf das Grundstück und war verschwunden, bevor Bosch einen Schritt gemacht hatte. Fast hätte er gelacht.
    »Also, was das angeht, hatten Sie Recht, Doc.«
    Er drehte sich um, um sich zu vergewissern, dass der Streifenwagen weg war und Brasher den Hund nicht hatte entwischen sehen.
    »Soll ich sie zurückpfeifen?«
    »Nein. Ich gehe einfach so mal los und sehe mich um. Vielleicht hole ich sie ja ein.«
    Er knipste die Taschenlampe an.

3
    Im Wald war es dunkel, lange bevor die Sonne verschwunden war. Das Dach aus hohen Monterey-Kiefern

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