0214 - Die Leichenkutsche von London
Sie sah beinahe so aus wie die italienische Sängerin Milva!
Provozierend fast die rote Haarflut, der sinnliche Mund, die schmalen Wangen und die Augen, deren Pupillen einem Mann alles versprachen.
Den Himmel und auch die Hölle!
Eingezwängt war sie in ein grünes Kleid ohne Träger. In den vierziger Jahren trugen die Hollywood-Stars ähnliche Roben, die jetzt wieder in Mode gekommen waren. Die Schuhe paßten farblich ebenfalls dazu, und die Nylons zeigten sogar Naht.
Nostalgie-Look, der sehr gut ankam. Vor allen Dingen bei Rod Kane, einem Boß der Londoner Szene. Kane fühlte sich wie ein kleiner König von Soho, und als er die Rote zum erstenmal gesehen hatte, da stand für ihn fest, daß er diese Frau besitzen mußte.
Es war leicht, ihren Namen herauszubekommen. Sie hieß Lana Leroy, sang und tanzte in den Nachtclubs, die nicht Kane gehörten. Er engagierte sie vom Fleck weg, nahm sie mit in seinen Club und auch mit in sein Bett. Drei Wochen ging das nun schon gut, eine lange Zeit für Kane, der es bei einem Mädchen nie länger als sieben Tage aushielt, doch bei Lana war das etwas anderes.
Diese Frau war flexibel. Sie überraschte den abgebrühten Kane mit immer neuen Variationen, und deshalb war Rod nicht müde geworden, die Nächte mit ihr zu verbringen.
Wie fast jede Nacht hing er in einem seiner Clubs. Lana trat nicht mehr auf, das hatte sie nicht nötig, sie sollte und würde auch so bewundert werden.
Die Lippen des Gangsters zogen sich in die Breite, als Lana durch die Tür des Waschraums trat, wo sie sich ein wenig frisch gemacht hatte.
Wie sie ging, das machte Männer an und gierig. Da bewegte sich alles an ihrem Körper. Er zeichnete sich unter der dünnen Seide des Stoffs ab, und jeder sah, daß Lana unter dem Kleid nicht mehr viel trug.
Kane grinste schmierig. Er erriet die Gedanken der Gäste. Ein jeder wollte Lana haben, das sah er an den Blicken der Leute. Außer dem Keeper, und der war schwul. Lana hatte ihn mal bekehren wollen, doch Rod Kane war dagegen. Der Keeper hatte einen wahnsinnig eifersüchtigen Freund, der es fertiggebracht hätte, Lana abzustechen.
Nein, nein, sie gehörte ihm, und es machte Kane Freude, wenn sie sich provozierend vor den Augen der Gäste bewegte, so daß die alten Böcke bald das Zittern bekamen.
Rod Kane erwartete sie. Er hing in einem Sessel. Sein weißes Dinnerjacket war geöffnet. Das Hemd darunter schimmerte hellrot, von dem die weiße Fliege abstach. Die Hose war schwarz und die Schuhe ebenfalls.
So liebte sich Rod Kane selbst. Immer elegant, immer auf ein schnelles Geschäft versessen und natürlich ein hübsches Weib im Arm. Er konnte zufrieden sein, denn einer seiner Unterführer hatte an diesem Abend abgerechnet.
Die Mädchen am Themsestrich hatten einen guten Preis in dieser Nacht gemacht. Na ja, schließlich war es Frühling und da steigen bekanntlich die Säfte.
»Darling!« flötete Lana Leroy und ließ sich neben ihren Freund in die weichen Polster der Couch fallen. Mit lässiger Bewegung schleuderte sie ihre tizianrote Mähne zurück und griff zum Sektglas, wobei ihre Finger mit dem schlanken Stiel spielten.
»Was möchtest du?« fragte Kane. Er war groß, schwarzhaarig und hatte ein hartes Gesicht, das immer etwas rötlich schimmerte.
Sie leerte das Glas. »Ich will weg.«
»Verstehe nicht.«
»Laß uns gehen, Rod!«
»Ach so meinst du das.« Kane grinste. »Im Prinzip habe ich ja nichts dagegen zu verschwinden, aber ich erwarte noch einen Freund. Dann können wir uns dünn machen.«
»Gut.« Lana winkte dem Ober. Der kam sofort und schenkte beiden nach.
Es war ein vornehmer Club. Zwar gab es auch Mädchen, aber es bedienten Kellner und Ober.
Die aus den Laufsprechern dringende Musik konnte man gedämpft und der Umgebung angemessen bezeichnen. Man legte Wert auf Melodien, nicht auf hämmernden Rhythmus.
»Hast du eigentlich keine Angst?« fragte die tizianrote Lana.
»Wovor?«
»Vor dir selbst.«
Rod Kane lachte breit. »Das ist gut, das hat mich noch niemand gefragt. Wenn du nach Logan Costello gefragt hättest, okay, aber vor mir selbst soll ich Angst haben…wie kommst du darauf?«
»Ich meine, daß du zu groß wirst.«
Man konnte Kane vieles nachsagen, aber dumm war er nicht. Er dachte auch darüber nach, was ihm andere sagten. Erst dann handelte er. Der Blick, den er seiner Freundin zuwarf, fiel schräg aus, und Kane hob die Augenbrauen. »Im Prinzip hast du recht. Ich muß achtgeben, daß ich vor mir selbst keine
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