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Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney Hosier
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bei der Blackwell Schiffahrtsgesellschaft und starb den Seemannstod, wie auch alle anderen Mitglieder seiner Mannschaft außer einem, als sein Schiff, die Albatros, irgendwo vor der Küste Westmalaysias sank. Meine Mutter verschied nur wenige Monate, nachdem uns die Nachricht vom Schicksal meines Vaters ereilt hatte.
    Obwohl Angehörige der medizinischen Zunft (und damit auch ein gewisser Dr. Watson, auf den ich später noch zu sprechen komme) meine Diagnose sicher rasch verspotten werden, so bin ich bis zum heutigen Tage davon überzeugt, daß ihr Ableben auf nichts anderes als auf ein gebrochenes Herz zurückzuführen war.
    Zum Zeitpunkt dieses äußerst unglücklichen Ereignisses in meinem Leben war ich erst 18 Jahre alt, und wäre William Hudson, der einzige Überlebende der vom Schicksal getroffenen Albatros, nicht gewesen, ich wüßte nicht, was aus mir geworden wäre.
    Ich kannte Mr. Hudson seit meiner Kindheit, denn er war nicht nur der erste Schiffsoffizier und Freund meines Vaters, er verbrachte auch die Zeiten zwischen den Reisen in unserem Hause.
    Er war ein Mann mit einem sowohl angenehmen als auch aufrichtigen Wesen. Und ich täte unrecht, wenn ich nicht selbst zu diesem späten Zeitpunkt zugäbe, daß ich schon als Mädchen für ihn geschwärmt hatte.
    Obwohl er gut fünfzehn Jahre älter war als ich, erwiderte er meine Gefühle (auf sehr diskrete Art und Weise, das kann ich Ihnen versichern). Ein vielsagender Blick, ein wohlwissendes Lächeln oder das beiläufige Berühren meiner Hand – es war ein beiden Seiten bewußtes, unausgesprochenes Werben, und ich bin sicher, daß es meiner lieben Mutter viel Kummer bereitete. Oh ja, sie wußte es, wie jede Frau es gewußt hätte. Ich glaube, daß die Frau, ungleich dem Manne, ein Gespür für das Subtile der menschlichen Psyche besitzt, eine Sensibilität, die der des Telegrafendrahtes ähnelt: eine angeborene Fähigkeit, die gesendeten geräuschlosen Signale zu empfangen und zu entziffern.
    Geldbeträge, die meine Eltern für ihr eigenes Wohl hätten verwenden können, kamen den besten Lehrer für mich zu, wodurch ich eine Bildung genoß, die weit über meinem gesellschaftlichen Stand lag, und obwohl meine Mutter William selbst sehr mochte, so hätte sie sich ihn doch nicht als Ehepartner für mich gewünscht. Auch wenn ich ihren Wunsch nach einer Verbesserung meines gesellschaftlichen Ranges heute sehr gut verstehen kann, fürchte ich dennoch, daß meine Sicht der Zukunft – so jung und so leicht zu beeindrucken, wie ich damals war – durch die von Liebe geblendeten Augen beschränkt war.
    Mein armer Papa hatte natürlich nicht die geringste Ahnung von meinen Gefühlen. Es ist durchaus gerechtfertigt, wenn ich sage, daß ich meine Beobachtungsgabe – wie ausgeprägt sie auch sein mag – von der Familie mütterlicherseits geerbt habe. Ein kaum merkliches Schwanken in der Stimme, eine allzu schnelle Handbewegung, das unruhige Scharren mit den Füßen oder ein Zucken der Augenbrauen, all dies und noch viel mehr war für mich wie ein »Sesam-öffne-dich« zu der hinter dem Gesagten verborgenen Wahrheit.
    Diese Talente verfeinerten sich in den folgenden Jahren immer mehr zu einer besonderen Scharfsinnigkeit, da ich das Glück hatte, aus nächster Nähe einen Mann beobachten zu können, dessen Intellekt denjenigen aller mir bekannten Menschen übertraf. Man hielt ihn für den besten Ermittler in ganz England. Andere haben diese Behauptung als zu einschränkend verurteilt und zogen es vor, ihn als den größten Meister in der Kriminalgeschichte des Britischen Empires anzusehen. Auch wenn ich zugeben muß, daß er nicht sehr viel von Bescheidenheit hielt, so bezeichnete er sich selbst, wenn er gefragt wurde, schlicht und einfach als Privatdetektiv. Aber ich komme vom Thema ab.
    Drei Monate nach dem Ableben meiner Mutter bat mich William Hudson um meine Hand. Ich war die glücklichste aller Frauen. Denn ich sollte nicht nur einen guten und liebenswürdigen Mann heiraten, sondern hatte auch von dem Anwalt meines Vaters erfahren, daß ich finanziell abgesichert sei. Obwohl ich nicht so anmaßend sein möchte, mich als Erbin zu bezeichnen, so war der Nachlaß doch ausreichend, um einem frisch verheirateten Paar das Erklimmen der ersten Sprosse auf der Leiter des Lebens zu ermöglichen.
    Bevor ich jedoch Williams Antrag annahm, stellte ich zwei Bedingungen, hinsichtlich derer ich unerbittlich war. Zum einen sollte eine Heirat erst stattfinden, nachdem ein Jahr der

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