Kein Job fuer schwache Nerven
kriege mit den Jahren allmählich ein Problem beim Feuerwehrtraining, wenn ich mich mit Maske und voller Montur durch unseren engen Übungsparcours quetschen muss, da habe ich manchmal schon leichte Beklemmungen, aber Höhenangst – keine Spur. Ob da unter mir zehn Zentimeter Luft sind oder zehn Meter oder 150, das ist mir völlig egal. Und zweitens war’s mal wieder was ganz anderes. Also sagte ich zu. Ich nahm Helga mit. Was beinahe ein Fehler gewesen wäre.
Als wir ankamen, packten wir unsere Sachen aus und fuhren mit dem Lift hoch. Auch bei sieben Stockwerken gilt, was bei jedem Hausputz gilt: Von oben nach unten arbeiten, damit man nicht seine mühsam geputzten Fenster unten von oben wieder volltropft. Dann stiegen wir in unsere Klettersets.
Klettern ist ja inzwischen Trendsport, einige Leser wissen hier wahrscheinlich, wie so was aussieht: Zwei Beinschlaufen aus ultrafestem Stoff, verbunden mit einem Bauchgurt aus genau demselben Stoff. Und hinten ist dann eine Schlaufe, an der man sich einhängen kann. Üblicherweise an eine Höhensicherung, die gefedert ist und im Falle eines Absturzes etwas nachgibt – wie ein Hosenträger. Das war schon mal das erste Problem.
Nicht für die Sicherheit: Gesundheitlich ist das schon sinnvoll, weil das den Sturz abfedert, wenn man mal dranhängt. Der Nachteil ist, dass das Seil natürlich länger wird. Und mir beim Betrachten der Örtlichkeiten auffiel, dass ich im Fall eines Sturzes zwar gesichert war, aber dann zwischen den beiden Stockwerken baumeln würde wie ein menschgewordenes Mobile. Helga würde mich kaum hochziehen können, ich selbst wahrscheinlich auch nicht – wenn ich von diesem Fensterbrett fiel, musste ich wohl die Feuerwehr rufen, damit sie mich wieder rausholten. Toll. Aber eine Alternative gab es nicht. Ich zuckte mit den Schultern und fing an.
Gesichert war das Ganze eigentlich nicht schlecht. Auf dieses schmale Fensterbrett hinaus führten zwei schmale Glastürchen. Das erste ging von oben bis auf Hüfthöhe. Das sollte man zuerst öffnen, um sich in das Sicherungsseil einzuklinken. Erst dann sollte man das untere Türchen öffnen, um hinauszugehen. Der Plan scheiterte schon beim ersten Türchen: Es war keine Höhensicherung eingehängt.
Höhensicherungen sind Haken an Rollen, die man in das Drahtseil oben einhängt, damit man beim Putzen nicht immer mit seiner Sicherung am Draht entlangscheuert und diesen so verschleißt und unsicherer macht. Um künftigen Fensterreinigern die Arbeit zu erleichtern, hatte sie der Architekt eigentlich vorgesehen. In jedem Stockwerk. Die Höhensicherungen waren nicht da. Wir fanden sie nach wenigen Blicken innen auf dem Boden. Ich musste mich also erst mal innen sichern, einen festen Stand bauen, wie der Bergsteiger sagt, dann die Sicherungen einhängen. Dann konnte ich das untere Türchen öffnen, hinausgehen, Helga hinter mir herwinken und ganz entspannt verfolgen, wie Helga auf das Brettchen trat, nach rechts in die Tiefe unter sich blickte und wieder zurückging.
» Das pack ich nicht!«, sagte sie.
Was will man da machen? Höhenangst ist Höhenangst.
Also machte ich mich allein ans Werk. Ich krabbelte erst auf den Knien das Fensterbrett entlang, hob die Gitter hoch, wischte darunter alles aus und begann dann am entferntesten Punkt zu putzen. Es war abscheulich.
So nah am Fenster kann man weder Druck entwickeln noch vernünftig hantieren. Ständig ist man in Gefahr, die Balance zu verlieren, und man arbeitet völlig verkrampft. Außerdem waren die Fenster zu hoch. Auch ich kam im Stehen nicht bis ganz oben hin. Und den Wischer verlängern konnte ich nicht – das hätte am Boden geklappt, aber nicht, wenn man mit der Nase nur fünf Zentimeter von der Scheibe entfernt ist. Ich griff zu zwei Hilfsmitteln. Das erste war eine kleine, schmale Trittleiter. Höhenangst ist zwar Höhenangst, aber keine Höhenangst ist auch keine Höhenangst, das ist der Vorteil: Ich kann auch auf kleinen Fensterbrettern auf einer Trittleiter stehend arbeiten. Sie darf einem halt nicht runterfallen. Deswegen hatte ich die Trittleiter mit einer Expressschlinge an meinen Klettergurt geknotet. Das zweite war ein Saugheber: Das sind die Saugnäpfe, die man nach Bedarf festsaugen kann, und zwischen zweien oder dreien von ihnen ist ein Griff montiert. Glaser benutzen sie, um große Scheiben zu heben und zu transportieren. Den klemmte ich immer von Neuem um, hielt mich links fest, wischte rechts, arbeitete mich die Scheibe entlang wieder
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