Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
versteh mich nicht falsch, ich will dich ja mit dem Thema nicht nerven, aber dein Einsatz bei Ilka und jetzt bei Waltraud, das klingt ja, als hätte sich da was bei dir geregt.« Sie sah durch den engen Gang des Cafés Richtung Ausgang, den man nur erahnen konnte, so voll war es inzwischen. »Bist du doch noch auf den Geschmack gekommen? Nicht dass du noch vor mir ein Kind bekommst.«
»Ein Thunfischsandwich, ein Galão, O-Saft!«, rief Fatimas Tochter über die Köpfe der anderen hinweg zu uns rüber.
Birgit stand auf.
Geregt? Geschmack? Was soll sich denn da geregt haben?
Nachdem sie unsere Getränke und Sandwichs erfolgreich zwischen den stehenden Gästen hindurch zu uns an den kleinen Tisch balanciert, alles abgestellt und sich wieder gesetzt hatte, versuchte ich das Thema zu wechseln – was nicht glückte. Zumindest nicht lange.
»Will Micha eigentlich Kinder? Oder will er etwa auch keine?«, fragte sie, während sie den Strohhalm in den Mund steckte und von ihrem frisch gepressten O-Saft trank.
Ich tat so, als könnte ich nicht antworten, da ich gerade den Mund voll hatte.
Konnten wir uns denn nicht über das Wetter unterhalten? Früher hatten wir doch auch andere Themen gehabt. Worüber hatten wir denn da gesprochen? Außerdem verstand mich hier anscheinend jeder falsch. Wer hatte denn gesagt, dass ich niemals in meinem ganzen Leben ein Kind wollte? Oder hatte ich das so gesagt?
»Tja, das ist so eine Sache«, fing ich schließlich an, als der Teller leer war und meine Ausrede, nicht antworten zu können, dadurch nicht mehr zog.
»Er schon, ich … keine Ahnung … hab gerade eine Galgenfrist bekommen.«
»Galgenfrist?«
»Ja, ich muss mir wohl mal ernsthaft Gedanken machen, aber bisher hab ich mich erfolgreich davor gedrückt.«
»Immerhin höre ich da kein entschiedenes Nein mehr von dir. Das klingt doch alles schon etwas anders als vor einer Weile.«
Ich überlegte, was ich damals an der Elbe gesagt hatte, als sich unsere Wege für eine Weile getrennt hatten.
Sie steckte sich ihren letzten Happen Sandwich in den Mund. »Ich weiß«, fing sie mit vollem Mund an zu erzählen, »du hältst von so was nicht viel, aber ich sag es dir jetzt trotzdem. Eine Bekannte von … ist ja auch egal, kennst du eh nicht. Also Marlene, eine Bekannte einer Frau, die ich kürzlich kennengelernt habe, legt Karten. Sag jetzt nichts.«
Sie hielt mir ihre Hand entgegen, als wollte sie jegliche Reaktion stoppen, dabei saß ich ganz ruhig da und bewegte mich keinen Zentimeter.
»Also, ich gebe dir einfach mal ihre Nummer, und dann kannst du dir ja mal überlegen, ob du hingehst. Grüß schön von mir, die Frau ist echt klasse. Du wirst schon sehen.«
»Und warum sollte mir eine Kartenlegerin eine Frage beantworten können, die ich mir selber nicht beantworten kann?«
»Keine Ahnung, aber einen Versuch ist es wohl wert. Alleine kommst du ja anscheinend auch nicht weiter. Vielleicht hast du eine Blockade und kommst nicht an die Antwort ran. Quäl dich nicht länger. Das kostet nur fünfzig Euro, und danach hast du die Antwort.«
»Fünfzig Euro?«
»Sie spendet das Geld an das Tierheim in der Süderstraße.«
»Und warum unterstützt du die armen Tiere nicht?« Sie sah mich fragend an. »Warum gehst du nicht zu ihr und lässt dir die Karten legen?«
»Ich war schon da.« Sie grinste und zog sich ihre Jacke an.
»Und?«
»Das erzähle ich dir nächstes Mal«, sagte sie, packte ihre Tasche und zwinkerte mir zu.
»Das meinst du jetzt nicht ernst! Das ist Folter! Bitte, mach wenigstens eine Andeutung. Oder … bist du etwa schwanger?«
»Nein, bin ich nicht. Noch nicht!«
»Das ist fies«, protestierte ich.
»Was? Dass ich nicht schwanger bin? Stimmt. Da gebe ich dir recht.«
»Nein, dass du es mir nicht sagst.«
»Ich sag es dir, aber nicht jetzt. Ich muss los, Süße. Wirklich.«
Und schwupps, weg war sie. Vorher bekam ich aber noch die obligatorischen Küsse, rechts und links, und das gute Gefühl, dass wirklich alles wieder gut war zwischen uns.
*
Zwei Wochen vor Weihnachten schickte mir die heilige Jowi ein aktuelles Gruppenbild der kleinen Hundefamilie. Wir hatten in den letzten beiden Wochen seit dem Exodus Waltrauds und ihrer Kleinen fast täglich telefoniert – Josephine und ich –, da ich an nichts anderes mehr denken k onnte, was ich ihr gegenüber natürlich nicht zugab. Mei st dachte ich mir irgendeinen Grund aus, und sei es nur, um nach dem Wetter in Kiel und Umgebung zu fragen. Als hätte
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