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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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nichts weiter mehr zu tun, als deinen Geist an seinen Platz als Lenker des Strahls und ausführendes Organ einzufügen. Wenn du dich der Aufgabe ohne jeden Zweifel gewachsen fühlst ...«
    Das wartende mentale Gebäude schien vor Aikens amüsiertem Auge zu schimmern. Wie herrlich! Wie stark! Wie riesig! Sicher, das Programm stammte von Abaddon, ebenso das Wissen um den Aufbau. Aber es war Aiken Drum, der den Organismus jetzt kühn übernahm und trug - er allein hatte die Kontrolle.
    Der Himmel, den er durch den Verteidigungsschirm sah, war fast purpurn. Die Sonnenscheibe leuchtete zinnoberrot mit einem weißglühenden Kern. An dem ersten Boot der Flotte, in dem er saß, rasten die Wände des Dschungels vorbei, so tiefgrün, daß sie fast schon schwarz wirkten. Der Genil selbst, noch von Nebel verhüllt, war ein Band aus geschmolzenem Gold, das sich endlos entrollte.
    Wenn du dich der Aufgabe ohne jeden Zweifel gewachsen fühlst ...
    Und ob er das tat!
    Er füllte sich mit dem gottgleichen offensiven Potential, er dehnte sich damit aus, er genoß die gefügige ungeheuerliche Energie. Er war Mercy, er war Aluteyn, er war Alberonn und Bleyn. Er war Owen Blanchard, Großmeister-Koerzierer. Er war Cloud und Elaby, unreif und jung und operant. Er war mehr als 3000 Tanu-Geister, synchronisiert in einer noch nie dagewesenen Einheit. Er war 40 schurkische Veteranen der Metapsychischen Rebellion, und er war 28 ihrer erwachsenen Nachkommen. Er war Marc Remillard, Herausforderer einer Galaxis, in eine tiefgekühlte Rüstung eingeschlossen mit elektrisch geladenen Nadeln in seinem weißglühenden Gehirn.
    Er war sie alle! Und er selbst! Er war König.
    Sie war sicher, so sicher gewesen, er werde in Goriah sein, doch als sie über der Glasburg kreiste und seinen Namen rief, antwortete er nicht. Auch in der Stadt und den sie umgebenden Pflanzungen und Siedlungen war er nicht zu finden. Sie würde seine Aura erkennen, ganz gleich, wo er sich versteckte. Nur war er nicht da.
    Verwirrt flog der schwarze Vogel südwärts, der Atlantik-Küste bis Rocilan folgend. Culluket war jedoch weder in der Bonbonstadt noch in Sasaron am Oberlauf der Garonne, dieses mächtigen Stroms, den die Tanu Baar nannten. Felice überprüfte Amalizan, die Zitadelle, die die wichtigsten Goldminen des Vielfarbenen Landes bewachte, und bewegte dann die unermüdlichen Schwingen weiter nach Sayzorask an der unteren Rhône und Darask in den provengalischen Sümpfen.
    Geliebter! Cullucet!
    Wieder und wieder rief Felice, aber anscheinend war der Geliebte in keiner der französischen Städte. Seine Aura, so eisig und hart, von der Farbe gefrorenen Blutes, mußte ihr unbedingt auffallen, jetzt, wo die Redigierung eine Schärfung ihrer Fernsinne bewirkt hatte. Wenn sie auf ein Dutzend Kilometer an den Inquisitor herankam, würde sie ihn erkennen.
    In einem grünen Parkland westlich des großen Sees ruhte sie sich aus und brach ihr langes Fasten. Sie schlug eine neugeborene Antilope und verzehrte die Zunge. Erfrischt schwang sie sich wieder in die Luft und rief in übermütigem Spott nach Elizabeth, als sie die Schwarze Klippe überflog. Sie erwartete keine Antwort und erhielt auch keine.
    Elizabeth wird mir eines Tages von neuem nützlich sein, dachte der Rabe. Aber um Cull zu finden, brauche ich ihre Hilfe wirklich nicht. Es wird mir mehr Spaß machen, ihn allein zu suchen!
    Mit Sturmesgeschwindigkeit flog Felice südwärts, überquerte die blühenden Dschungel der Corbiere-Berge und einen Paß der östlichen Pyrenäen. Der Geliebte war nicht in Geroniah, auch nicht in Tarasiah. Also bog sie landeinwärts ab und erreichte bald jenseits der katalanischen Wildnis das obere Ende der großen iberischen Schlucht, wo Aluteyn Handwerksmeisters einsame Zitadelle Calamosk sich hoch über dem rauschenden Strom erhob. Culluket war nicht da. Tatsächlich war die Stadt beinahe verlassen.
    Felice überlegte. Waren die anderen Orte, die sie besucht hatte, nicht auch merkwürdig leer von Lebens-Auren gewesen - besonders von Tanu -Leben? Wohin waren all die Fremden gegangen?
    Die endlosen Ebenen des Südens verwandelten sich jetzt, zwei Monate nach Ende der Regenzeit, von Smaragdgrün in Zitronengelb. Nur die Senken und die Arroyos blieben frisch, und die Ufer großer Flüsse wie des Proto-Jucar, der durch Afaliah floß.
    Culluket! Culluket!
    Wieder war der Geliebte nicht da, und auch der Stadt-Lord Celadeyr und sein Kader von Kampfgefährten fehlten. Es wurde immer geheimnisvoller.

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