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Kein König von Geburt

Kein König von Geburt

Titel: Kein König von Geburt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Aiken-Lugonn galoppierte an der Spitze der Horde, führte seine Leute zu der schiffbaren Strecke des Rio Genil zurück. Hinter seinem Sattel und hinter dem jedes anderen Reiters lag ein Sack voller goldener Reifen, die bei jedem Schritt der Chalikos klingelten. In den Armen hielt Aiken eine goldene Glaslanze. Von ihrem Schaft führte ein Kabel zu einem Energie-Modul, das an einem starken Brustharnisch hing. Der Anzeige auf dem Modul nach war die Ladung gleich Null, und die fünf farbigen Knöpfe auf dem Schaft waren ebenso wie die nadeldünne Öffnung von Salz verkrustet. Im Augenblick war der Speer Lugonns tot, nicht zu gebrauchen. Aber auf dem Fluß hielten sich Techniker mit Werkzeugen bereit, ihn zum Leben zu erwecken, und die kleine Gestalt des Königs glühte in der freudigen Erwartung, daß er die Waffe wieder benutzen würde. Diese Waffe war dazu bestimmt, Felice zu besiegen, dann die Firvulag zur Vernunft zu bringen. Und am Ende würde sie die Arbeit vollenden, die die Flut unterbrochen hatte: Sie würde Nodonn töten.
    Immer noch in ihrer Raben-Verkleidung, den Geist vollkommen abgeschirmt, erreichte Felice schließlich den Mulhacén. Ungläubig betrachtete sie aus der Luft den ungeheuren Bergrutsch, die glitzernden Blöcke aus Glimmerschiefer, größer als Häuser, die vom Gesicht des Berges abgehauen und in ihre Wohnung geworfen worden waren. Alles war fort, die Bäume, die blühenden Büsche, der Wasserfall mit dem farngesäumten Teich zum Baden, die Feuergrube und die phantastisch gestalteten rustikalen Möbel auf der Terrasse, die moosigen Steine, wo die Felsdrosseln gesessen und ihr in der Abendstille vorgesungen hatten. Fort. Der kleine Arm des Flusses, in dem die fette Forelle schwamm, war unter Tonnen von Geröll begraben, ebenso der Wildpfad, der die Tierfreunde vor ihre Tür gebracht hatte. Das einzige Lebewesen, das übrig war, sie zu begrüßen, war Pseudaelurus, der Luchs. Der saß auf dem flachen Gipfel einer isolierten Klippe und badete sich in den letzten ersterbenden Sonnenstrahlen.
    Das Rabenmädchen spiralte schreiend nach unten. Anfangs hielt sie es für eine Naturkatastrophe, doch dann sah sie einen staubigen goldenen Reif halb vom Schutt begraben, und es fiel ihr ein, das verbarrikadierte Innere ihrer Schatzkammer mit ihrem mächtigen tiefsehenden Auge zu erforschen. Da entdeckte sie, daß die Kammer geleert worden war.
    »Culluket!« kreischte sie. Der Ruf hallte in der schwindelerregenden Schlucht wider, die der junge Genil eingesägt hatte. Der Luchs duckte sich, die Ohren zurückgelegt. »Culluket - du und Aiken Drum!« Der Luchs verschwand im steinigen Chaos. Der dunkel gefiederte Vogel ließ sich auf der leeren Klippe nieder und verwandelte sich.
    Ein phantastisches Wesen stand auf dem Fels, gekleidet in glänzendes schwarzes Leder, die Hopliten-Rüstung aus Felices altem Beruf, entsprechend ihren Phantasien verändert. Jetzt waren die Kanten des Harnischs schärfer, die Umrisse grausamer. Die alten offenen Beinschienen und kurzen Handschuhe waren gewachsen, umschlossen alles Fleisch der Beine und Arme und waren mit gekrümmten Sporen und klauenartigen Auswüchsen besetzt. Der Helm hatte den Schnabel eines Raubvogels bekommen; ein nach hinten stehender Scheitelkamm hielt ihn im Gleichgewicht. Aus der T-förmigen Öffnung leuchteten zwei Lichtstrahlen, weiß wie Magnesiumfackeln. Das Wesen wandte den Kopf und suchte die Steppe nördlich des Berges ab, und die Augenstrahlen bohrten sich durch einen dazwischenliegenden Berggrat wie Laser durch einen Käsekeil. Felice betrachtete das Tal des unteren Genil durch rauchende Gucklöcher, lokalisierte endlich ihre Beute und raste ihr nach wie ein rächender Komet.
    Die Boote schossen den Fluß hinunter. Aiken, der im ersten Reparatur-Fahrzeug saß, leitete mittels seiner Tiefenvision die Techniker an, den Schaft des Speers zu öffnen. Plötzlich kam Marcs Warnung:
    Felice ist unterwegs.
    »Macht den Speer fertig, um Gottes willen!« schrie Aiken den erschrockenen Technikern Carvalho und McGillicuddy zu. Dann levitierte er in einer zischenden Ozonwolke in das Boot an der Spitze des Zuges.
    »Hab sie entdeckt!« rief er. Diesmal fokussierte er den Strahl fast ohne Zeitverlust. Er saugte die Energie an, und sie floß in ihn hinein. Er atmete aus, und der fürchterliche flammende Strahl fuhr brüllend auf den schattigen Fleck zu, der die Flottille verfolgte, dorniges Schwarz vor einem türkisfarbenen Abendhimmel.
    Die Feuerkugel blähte sich

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