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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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einem spirituellen Menschen gemacht. Anders als sie. Und über mich macht sie sich Sorgen. Das seh ich. Ich hob wohl geglaubt, weil ich älter und der Mann bin, würd sie von mir lernen, und in vieler Hinsicht hat sie das ja auch. Aber ich weiß, wer wem was schuldet.
Ich glaub, ich weiß, wohin es mit uns geht. Wir werden mit unserem eigenen Geld gekauft. Und es sind nicht bloß die Drogen. Da draußen werden Vermögen angehäuft, von denen kein Mensch was weiß. Was glauben wir eigentlich, zu was dieses Geld führen wird? Geld, mit dem man ganze Länder kaufen kann. Das ist ja auch schon passiert. Kann man auch dieses Land damit kaufen? Ich glaub nicht. Aber es zwingt einen, sich mit Leuten gemeinzumachen, mit denen man das besser nicht tun sollte. Das Problem ist auch nicht die Polizeiarbeit. Ich bezweifle, dass sie das je war. Rauschgift hat es immer gegeben. Aber die Leute beschließen nicht einfach ohne jeden Grund, sich mit Drogen vollzustopfen. Und zwar millionenfach. Ich weiß da auch keine Antwort. Und schon gar nicht weiß ich eine Antwort, die einem Mut machen könnte. Vor einer Weile hab ich’s einer Journalistin hier gesagt – junge Frau, wirkte eigentlich ganz nett. Sie hat sich bloß bemüht, ihre Arbeit ordentlich zu machen. Sie hat gefragt: Sheriff, wieso haben Sie die Kriminalität in Ihrem County so außer Kontrolle geraten lassen? Hörte sich eigentlich nach einer fairen Frage an. Vielleicht war’s ja eine. Jedenfalls hab ich ihr gesagt: Es fängt damit an, hab ich gesagt, dass man schlechte Manieren übersieht. Jedes Mal, wenn Sie kein Sir und kein Ma’am mehr hören, ist das Ende so ziemlich in Sicht. Das reicht in alle Schichten hinein, hab ich gesagt. Davon haben Sie ja wohl schon gehört, oder? Alle Schichten? Und irgendwann geht die kaufmännische Moral derart vor die Hunde, dass draußen in der Wüste Leute tot in ihren Fahrzeugen sitzen, aber dann ist es zu spät.
Da hat sie mich ziemlich komisch angeguckt. Zum Schluss hab ich ihr dann noch gesagt, und vielleicht hätt ich das nicht sagen sollen, ich hab ihr gesagt, dass es kein Drogengeschäft ohne Drogenkonsumenten gibt. Viele von ihnen sind gut gekleidet und haben auch gut bezahlte Jobs. Vielleicht kennen Sie ja selber welche, hab ich gesagt.
Was anderes sind die alten Leute, und zu denen komm ich immer wieder. Sie sehen mich an, und immer liegt in ihrem Blick eine Frage. Von früher hab ich das nicht so in Erinnerung. Von meiner Zeit als Sheriff in den Fünfzigern hab ich das nicht so in Erinnerung. Man schaut sie an, und sie sehen nicht verwirrt aus, sondern schlichtweg verrückt. Das geht mir nach. Es ist, als wären sie aufgewacht und wüssten nicht, wie sie da hingeraten sind, wo sie gerade sind. Naja, in gewisser Weise ist es ja auch so.
Heute beim Abendessen hat sie mir gesagt, sie hätte Johannes gelesen. Die Offenbarung. Jedes Mal, wenn ich vom Zustand der Welt anfange, findet sie irgendwas in der Bibel, also hab ich sie gefragt, ob in der Offenbarung irgendwas darüber steht, wo das alles hinführt, und sie hat gesagt, sie würd mir Bescheid sagen. Ich hab sie gefragt, ob da irgendwas über grüne Haare und Nasenknochen steht, und sie hat gesagt, nicht direkt. Ich weiß nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Dann ist sie hinter meinen Stuhl getreten, hat mir die Arme um den Hals gelegt und mich ins Ohrläppchen gebissen. In vieler Hinsicht ist sie eine sehr junge Frau. Ich weiß nicht, was wäre, wenn ich sie nicht hätte. Das heißt, ich weiß es schon. Ich wär komplett aufgeschmissen.

Es war ein kalter, windiger Tag, als er das Gerichtsgebäude zum letzten Mal verließ. Manche Männer konnten die Arme um eine weinende Frau legen, aber für ihn war das nie selbstverständlich gewesen. Er ging die Treppe hinunter und zur Hintertür hinaus, stieg in seinen Wagen und saß einfach nur da. Er konnte das Gefühl nicht benennen. Es war Traurigkeit, aber es war auch noch etwas anderes. Und dieses andere bewirkte, dass er dasaß, anstatt den Wagen anzulassen. Es war ihm schon einmal so gegangen, aber das war schon lange her, und als er sich das sagte, wusste er auch, was es war. Es war das Gefühl der Niederlage. Des Geschlagenseins. Für ihn bitterer als der Tod. Da musst du drüber wegkommen, sagte er. Dann ließ er den Wagen an.
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XIII
    Wenn man zur Hintertür rausgegangen ist, war da ein steinerner Wassertrog in dem Unkraut neben dem Haus. Vom Dach hat ein verzinktes Rohr runter geführt, sodass der

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