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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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einen Knopf und lassen den vorbereiteten Text abschnurren. Ein durchschnittlich gebildeter Papagei oder ein Magnetophonband täten die gleichen Dienste.
    Vorige Woche suchte ich den kaufmännischen Direktor unserer Zeitung auf und verlangte, wie jeder andere auch, eine Erhöhung des monatlichen Betrages für meinen Wagen. Der Herr Direktor blätterte in den Papieren auf seinem Schreibtisch und fragte:
    »Wie begründen Sie das?«
    »Die Versicherung ist gestiegen«, erklärte ich. »Und außerdem ist nicht alles Gold, was glänzt. Nur Morgenstunde hat Gold im Munde. Eile mit Weile und mit den Wölfen heule.«
    »Damit wird die Verlagsleitung nicht einverstanden sein«, lautete die Antwort. »Aber ich will sehen, was sich machen läßt. Fragen Sie Ende Oktober wieder nach.«
    Niemand hört zu. Man könnte daraus ein anregendes Gesellschaftsspiel machen. Ich würde es den »Magnetophontest« nennen. Zum Beispiel trifft man einen unserer führenden Theaterkritiker und beginnt erregt auf ihn einzusprechen:
    »Es gibt im Theaterbetrieb keine festen Regeln, Herr. Sie können ein Vermögen in ein neues Stück hineinstecken, können die teuersten Stars engagieren und für eine pompöse Ausstattung sorgen - trotzdem wird es ein entsetzlicher Durchfall. Umgekehrt kratzt eine Gruppe von talentierten jungen Leuten ein paar hundert Pfund zusammen, holt sich die Schauspieler aus einem Seminar, verzichtet auf Bühnenbilder, auf Kostüme, auf jedes sonstige Zubehör - und was ist das Resultat? Eine Katastrophe.«
    »Ganz richtig«, stimmt der Kritiker begeistert zu. »Die jungen Leute haben eben Talent.«
    Niemand hört zu. Wollen Sie sich selbst eine Bestätigung holen? Dann wenden Sie sich, wenn Sie nächstens beim Abendessen sitzen, mit schmeichelnder Stimme an Ihre Frau:
    »Als ich nach Hause kam, Liebling, hatte ich keinen Appetit. Aber beim ersten Bissen deiner rumänischen Tschorba ist er mir restlos vergangen.«
    Die also Angeredete wird hold erröten: »Wenn du willst, mein Schatz, mache ich dir jeden Tag eine Tschorba.«
    Offenbar kommt es nicht auf den Inhalt des Gesagten an, sondern auf den Tonfall:
    »Wie war die gestrige Premiere?«
    »Zuerst habe ich mich ein wenig gelangweilt. Später wurde es unerträglich.«
    »Fein. Ich werde mir Karten besorgen.«
    Als ich unlängst auf dem Postamt zu tun hatte, trat ich dem Herrn, der in der Schlange hinter mir stand, aufs Hühnerauge. Ich drehte mich um und sah ihm fest in die Augen:
    »Es war Absicht«, sagte ich.
    »Macht nichts«, lautet die Antwort. »Das kann passieren.«
    Niemand hört zu. Wirklich niemand. Erst gestern gab ich der Kindergärtnerin, die gegen das Temperament meines Töchterchens Renana etwas einzuwenden hatte, unzweideutig zu verstehen, was ich von ihr hielt:
    »Liebes Fräulein«, schloß ich, »ein Lächeln meiner kleinen Tochter ist mir mehr wert als alle Übel der Welt.«
    »Sie sind ein Affenvater«, sagte die Kindergärtnerin. Und da hatte sie zufällig recht.

Wer nicht fragt, lernt nichts
    Für ein intaktes Familienleben ist nichts so wichtig wie das Vertrauen der Kinder zu ihrem Vater. Sie müssen überzeugt sein, daß er alles weiß. Ich selbst habe an der Allwissenheit meines Vaters nie gezweifelt - bis ich ihn einmal im Alter von ungefähr sieben Jahren fragte, wieso ein Magnet ein Magnet ist. Mein Vater brummte etwas von schlechter Aussprache, und er hätte schon mehrmals bemerkt, daß ich durch die Nase spreche, und unser Hausarzt sollte mich nächstens auf Polypen untersuchen. Heute sprechen meine Kinder durch die Nase, und so wird es weitergehen von Geschlecht zu Geschlecht, wie man gleich lesen kann.
    »Papi!«
    So pflegen mich meine Kinder anzureden. Diesmal war es Amir. Er stand vor meinem Schreibtisch, in der einen Hand das Album »Die Wunder der Welt«, in der ändern Hand den Klebstoff, mit dem allerlei farbenprächtige Bildlein in die betreffenden Quadrate einzukleben waren. »Papi«, fragte mein blauäugiger, rothaariger Zweitgeborener, »stimmt es, daß sich die Erde um die Sonne dreht?«
    »Ja«, antwortet Papi. »Natürlich.«
    »Woher weißt du das?« fragte Zweitgeborener.
    Da haben wir's. Das ist der Einfluß von Apollo 17. Der kluge Knabe will das Sonnensystem erforschen. Gut. Kann er haben.
    »Jeder Mensch weiß das«, erkläre ich geduldig. »Das lernt man in der Schule.«
    »Was hast du in der Schule gelernt? Sag's mir.«
    Tatsächlich: Was habe ich gelernt? Meine einzige Erinnerung an die Theorie des Universums besteht

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