Kein Öl, Moses
die allgemeine Übereinkunft fort. Im Restaurant versäume ich niemals, dem Kellner, bei dem ich die Suppe bestelle, laut und deutlich einzuschärfen: »Bitte nicht zu heiß. Bitte keine brodelnde Suppe. Die Suppe soll in der Küche kochen, nicht auf dem Tisch.«
Der Kellner sieht glasigen Blicks durch mich hindurch, verschwindet, kehrt hinter einer Feuersäule zurück und stellt sie vor mich hin.
»Ich habe Sie doch gebeten, mir keine brennend heiße Suppe zu bringen!«
Aus Rauchschwaden dringt die Stimme des Kellners an mein Ohr:
»Heiß? Das nennen Sie heiß?«
Meine Aufforderung, selbst nachzuprüfen und den Finger hineinzustecken, lehnt er ab. Begreiflich. Der Mann braucht die Hand für seinen Beruf und kann keine Brandwunden riskieren.
Neuerdings versuche ich es mit Eiswürfeln, die ich gleichzeitig mit der Suppe bestelle, oder ich gieße ein wenig kaltes Bier in den Teller. Natürlich ist es dann keine Suppe mehr, es ist eine übelriechende Flüssigkeit von undefinierbarer Farbe und ebensolchem Geschmack, aber sie ist wenigstens nicht zu heiß.
So werde ich älter und älter, die Kummerfalten in meinem Gesicht werden tiefer, mein einstmals aufrechter Gang ist gebückt von der Last des vergeblichen Kleinkriegs. Ich habe fast alles erreicht, was ich erreichen wollte, Erfolg und Ruhm und Anerkennung im Ausland, die Liebe der Frauen, den Neid meiner Kollegen. Nur eines ist mir versagt geblieben: eine nicht zu heiße Suppe.
Auf meinem Grabstein wird folgende Inschrift zu lesen sein:
»Hier ruht Ephraim Kishon, der bedeutende Satiriker (1924 - 2033). Sein Leben war ein einziges Umrühren.«
Niemand hört zu
Die Kommunikationsschwierigkeiten, unter denen unsere Konsumgesellschaft leidet und ohne die es keine zeitgenössische Dramatik gäbe, rühren angeblich daher, daß ein im Unterbewußtsein klaffender Abgrund die Menschen verhindert, sich miteinander zu verständigen, manchmal pausenlos, manchmal in drei Akten. Ich erlaube mir, eine wesentlich einfachere, auf persönliche Erfahrung gestützte Theorie vorzubringen, nämlich daß einer dem anderen nicht zuhört.
Was ich da entdeckt habe, geht - wie so manche bedeutende Entdeckung - auf einen Zufall zurück. Ich saß an einem Tisch des vor kurzem neu eröffneten Restaurants Martin & Maiglock und versuchte ein Steak zu bewältigen, das es an Zähigkeit getrost mit Golda Meir aufnehmen könnte. Von den beiden Inhabern beaufsichtigte Herr Martin den Küchenbetrieb, während Herr Maiglock gemessenen Schrittes im Lokal umherwandelte und jeden Gast mit ein paar höflichen Worten bedachte. So auch mich. Als er meinen Tisch passierte, beugte er sich vor und fragte:
»Alles in Ordnung, mein Herr? Wie ist das Steak?«
»Grauenhaft«, antwortete ich.
»Vielen Dank. Wir tun unser Bestes.« Maiglock setzte ein strahlendes Lächeln auf, verbeugte sich und trat an den nächsten Tisch.
Zuerst vermutete ich einen Fall von gestörtem Sensorium oder von Schwerhörigkeit, wurde jedoch alsbald eines anderen belehrt, und zwar in der Redaktion meiner Zeitung. Dort war gerade eine stürmische Debatte über das Wiederengagement eines kurz zuvor entlassenen Redakteurs namens Schapira im Gang. Sigi, der stellvertretende Chefredakteur, eilte mir entgegen und packte mich bei den Rockaufschlägen:
»Hab ich dir nicht gesagt, daß Schapira in spätestens drei Wochen zurückkommen wird? Hab ich dir das gesagt oder nicht?«
»Nein, du hast mir nichts dergleichen gesagt.«
»Also bitte!« Triumphierend wandte sich Sigi in die Runde. »Ihr hört es ja!«
Sie hören eben nicht, unsere lieben Mitmenschen. Das heißt: Sie hören zwar, aber nur das, was sie hören wollen. Der folgende Dialog ist längst nichts Außergewöhnliches mehr:
»Wie geht's?«
»Miserabel.«
»Freut mich, freut mich. Und die werte Familie?«
»Ich habe mit ihr gebrochen.«
»Das ist die Hauptsache. Hoffentlich sehen wir uns bald.«
Niemand hört zu. Ich erinnere nur an das letzte Fernsehinterview unseres Finanzministers.
»Herr Minister«, sagte der Reporter, »wie erklären Sie sich, daß trotz der gespannten Lage die israelischen Bürger ehrlich und ohne zu klagen ihre enormen Steuern bezahlen?«
»Mir ist dieses Problem sehr wohl bewußt«, antwortete der Minister. »Aber solange wir zu unseren Rüstungsausgaben gezwungen sind, ist an eine Steuersenkung leider nicht zu denken.«
Tatsächlich: Die Menschen können sich kaum noch miteinander verständigen. Sie reden aneinander vorbei, drücken auf
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