Kein Schatten ohne Licht
in seinen Worten ließ Timon zusammenzucken.
Stefan hingegen legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Oberarm. „Die Schattenkrieger existieren nicht mehr, Zane. Melica hat die Gemeinschaft auflösen lassen. Jetzt, wo Luzius endgültig verschwunden ist, gibt es keinen Grund mehr für uns, auf engstem Raum zusammenzuleben. Viele Anhänger Gregors sind gegangen. Jim zum Beispiel haben wir seit Tagen nicht mehr gesehen. Wir sind nur noch Wenige, die hier im Antrum leben. Dennoch muss viel geregelt und viel entschieden werden. Wir wollen endlich raus aus der Erde, raus aus dem Untergrund. Deshalb das neue Haus. Melica kümmert sich um alles. Alles, was geschieht, ist ihre Vision.“
„ Was ist mit Gregor?“
„ Gregor ist tot“, gab Stefan zurück und hätte Zane seine Miene nicht schon seit Jahrhunderten vollkommen unter Kontrolle, hätte er sich in diesem Augenblick von seiner Kinnlade verabschieden können. So jedoch blieb er völlig ruhig. „Wie?“
„ Ein Unfall. Nachdem Melica Gregor erklärt hat, dass sie ihm nicht dabei helfen würde, die Menschheit zu unterwerfen, wollte er sie umbringen lassen. Erik hat ein Messer auf sie geworfen, doch sie konnte in letzter Sekunde ausweichen. So traf die Klinge nicht sie, sondern Gregor.“
Zane blinzelte fassungslos. Ein seltsames, nie zuvor wahrgenommenes Gefühl der Schuld brannte in ihm auf. Er hatte so vieles verpasst...
Stefan schien seine Überraschung jedoch falsch zu deuten, denn er grinste leicht. „Ich weiß. Melica soll schnell genug ausgewichen sein? Ich bin genauso verwirrt gewesen wie du. Doch inzwischen wissen wir, was passiert sein muss. Jonathan ist ihr Mentor. Kurz bevor sie nach Djerba geflogen sind, sagte er ihr, sie dürfe sich nicht umbringen lassen. Melica kann sich zwar noch immer an nichts erinnern, doch dieser Befehl muss sich trotzdem in ihr Unterbewusstsein gebrannt haben. Nur deshalb konnte sie schnell genug ausweichen. Jonathan ist seitdem kaum zu ertragen, so stolz und selbstzufrieden stolziert er durch die Gegend. Kann natürlich auch an Melicas Schwester Liv liegen, die er in einigen Wochen heiraten will. Doch genug geredet. Du möchtest sie sehen, nicht wahr?“
„ Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, gab Zane kühl zurück, während die Gedanken in seinem Kopf rasten. Ausgerechnet Jonathan Barkley. Wenn es tatsächlich sein Verdienst war, dass Melica noch lebte, dann schuldete Zane ihm viel. Viel zu viel. Ein Seufzen wollte sich aus seinem Mund stehlen, doch im letzten Augenblick gelang es ihm, es zurückzuhalten. Was war nur los mit ihm? Er war Zane Sarcone! Er seufzte nie! Niemals!
Er war so in seine Fassungslosigkeit verstrickt, dass er erst nach einigen Sekunden bemerkte, dass Stefan nun auch noch seine zweite Hand auf seinen Oberarm gelegt hatte. „Warum versteht ihr eigentlich nicht, dass ihr mich nicht anfassen sollt?“, knurrte er wütend und riss sich los.
Ein Lachen antwortete auf seine Frage. Ein Lachen, so hell und klar, dass ein einsamer Schauer über Zanes Haut lief. Sein Körper war wie elektrisiert. Da waren Gefühle, tief in ihm und gleichzeitig nah an der Oberfläche.
Wohl zum ersten Mal in seinem Leben machten ihm diese Gefühle keine Angst. Ganz im Gegenteil. Als Zane den Kopf hob und tiefstes Schwarz endlich auf eine Mischung aus Grün und Blau traf, konnte er sein Lächeln nicht länger zurückhalten. Es überzog sein ganzes Gesicht, ließ ihn sorgenlos und nett wirken, doch für Zane war es nebensächlich. Solange er Melica nur gefiel, störte es ihn nicht länger, was die anderen von ihm dachten.
Die junge Frau, die dort auf sie zuschritt, die dem Weg folgte, den seine Fußabdrücke in der weichen Erde hinterlassen hatten – sie sah aus wie Melica und tat es gleichzeitig nicht. All das Kindliche war von ihren Zügen verschwunden. Stattdessen stand eine Ernsthaftigkeit in ihren Augen, die Zane nicht von ihr kannte.
Es gab nicht viele Situationen, die ihn nervös machten. Genau genommen, konnte er sich an keine Einzige erinnern. Es gab jedoch für alles ein erstes Mal. Sein Atem ging schnell, viel zu schnell und als sie direkt vor ihm stand, musste er schlucken, bevor er sprechen konnte. „Du erinnerst dich nicht?“
Melica ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, als sie leicht, fast widerwillig den Kopf schüttelte. „Nein. Nicht an das letzte Jahr.“
Vielleicht hätte er Mitleid haben müssen. Vielleicht sogar Schuldgefühle. Zane dachte keine Sekunde daran. Stattdessen trat
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