Kein Weg zurück
einzuordnen. Im Innern aber wusste sie, dass sie Unrecht hatte und Marie im Recht war.
Marie konnte nicht glauben, was sie sah. Sie war ihrer Schwester gefolgt und spähte nun durch das Wohnzimmerfenster dieses ekelhaften Kerls. Sie küssten sich und taten noch mehr. Marie rannen die Tränen herunter, sie konnte nicht mehr hinsehen. Wie lange sie im Regen saß, das wusste sie nicht mehr. Sie hörte, wie sich Isis von dem Typen verabschiedete, und sprang sofort auf. Sie rannte um das Haus herum und stand direkt vor den beiden, die sie erschrocken anstarrten. Sie rüttelte und schlug Isis, bis sie der Kerl zu Boden warf und sich auf sie stürzte.
„ Hör auf, Michael. Verdammt, hör auf. Sie ist meine Schwester.“
Erschrocken sprang er auf und wich zurück. Marie weinte immer noch und schrie unverständliches Zeug.
„ Marie, beruhige Dich.“ Isis versucht ihre Schwester zu beruhigen, doch diese flippte komplett aus.
„ Du Mörder, du verdammter Mörder. Was machst du mit meiner Schwester?“
Michael blieb verdutzt stehen, und plötzlich tat sich etwas in seinem Kopf. Er kannte dieses Mädchen – ihre Stimme, ihr Gesicht, ihre Augen. Nein, das konnte nicht sein, das dufte nicht sein. In seinem Kopf verschwamm alles zu einem Brei, er wusste nicht mehr ein noch aus. Die Mädchen rannten gemeinsam weg, und er blieb zurück, im Regen auf der Stufe zu seinem Zuhause und weinte. Die Bilder von vor zehn Jahren waren in seinem Kopf – präsenter denn je. Die Mutter mit ihren beiden Töchtern, die an der Donau spazieren gingen. Michael, der mit seinem Auto ihnen entgegenfuhr und plötzlich die Kontrolle über das Gefährt verlor. Michael, der direkt auf sie zu raste, auf die Mutter, die ihre Kinder je an einer Hand hielt. Er prallte direkt auf die drei Frauen, deren Augen sich weiteten, als sie das Unglück auf sich zukommen sahen. Alle drei wurden durch die Luft geschleudert. Es passierte alles wie in Zeitlupe. Michael raste davon, ohne zurückzublicken, ohne zu helfen. Aus der Zeitung erfuhr er, dass die Mutter gestorben war, die Töchter aber nur leicht verletzt worden waren. Er meldete sich nicht bei der Polizei und er wurde nicht gefasst. Keiner hatte den Unfall beobachtet, das war sein Glück. Gleichzeitig bedeutete es den Tod einer jungen Mutter, für die jede Hilfe zu spät kam. Wie konnte es sein, dass diese Mädchen nun in sein Leben traten? Es war ein Spiel, das Isis mit ihm spielte – von Anfang an.
„ Bist du verrückt geworden. Warum bist du mir gefolgt? Was sollte das?“ Isis schrie Marie an, schüttelte sie, doch diese war immer noch in Schockstarre. „Marie, beruhige dich. Es tut mir leid. Bitte beruhige dich.“ Langsam atmete sie wieder ruhiger und hörte auf zu weinen. Sie saßen einige Straßen weiter im Regen auf einem Randstein, und Isis hatte den Arm um ihre kleine Schwester gelegt, die so schutzlos schien in diesem Moment.
„ Ich habe euch gesehen. Du hast ihn geküsst und … und mit ihm geschlafen. Du bist so ekelhaft.“ Wieder fing Marie an zu weinen.
„ Das habe ich für uns getan. Ich will doch diesen Kerl auch fertigmachen. Ich habe alles auf Video, was er mit mir gemacht hat. Ich muss es nur dem Direktor bringen, und sein Leben ist kaputt.“
„ Warum hast du es dann nicht schon nach dem ersten Mal getan?“ Der Blick von Marie war so unendlich traurig und bohrend. Ja, warum hatte es Greta noch nicht getan? Was ging in ihr vor?
„ Ich werde es tun. Gleich Morgen.“
Marie nickte, und sie gingen nach Hause.
Die nächsten drei Tage ließ Michael sich krankschreiben, er konnte ihr unmöglich ins Gesicht sehen. War hatte er nur getan? Er wusste die ganze Zeit, dass es ein Fehler war, doch nun war klar, dass es kein gutes Ende nehmen würde. Isis wollte ihn fertigmachen und sie würde nicht mehr lange warten, um ihre Affäre öffentlich zu machen. Er hatte sich in Isis verliebt. Warum hatte er damals diesen verdammten Fehler gemacht? Er bekam Fieber, wurde wirklich krank – krank vor Panik und Angst. Am dritten Tag hielt er es nicht mehr aus und machte sich auf den Weg zur Schule. Er wusste, dass Isis meist zu spät kam, und passte sie gemeinsam mit ihrer Schwester ab.
„ Was will der denn hier?“ Marie entdeckte ihn sofort.
„ Isis, bitte lass uns reden.“
„ Reden? Über was? Darüber, dass du verdammtes Dreckschwein meine Mutter getötet hast und dann abgehauen bist?“
„ Schrei doch nicht so?“
„ Ich soll nicht schreien? Warum denn? Schämst
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