Kein Weg zurück
ihn Alpträume, die aber seit dem Erscheinen von Isis wie weggeblasen waren.
Es war ein Dienstag, als sie plötzlich vor seiner Türe stand. Er war überrascht, doch seine Freude konnte er nicht verbergen. Er wusste, dass er sich nahe an einen Abgrund heranwagte, der schnell sein Verderben sein könnte, doch er konnte nicht widerstehen. Ohne ein Wort zu sagen, betrat sie seine Wohnung. Ihre Jacke war nass, sie tropfte, die Haare klebten an ihren Wangen, und ihr Blick schweifte durch seine Wohnung. Er ärgerte sich darüber, dass er nicht aufgeräumt hatte, aber wie hätte er ahnen können, dass sie kommen würde?
„ Ich will dich kennenlernen.“ Ihre Stimme war sanft und sie lächelte. Sie zog sich ihre Jacke aus und nahm auf seiner Couch Platz. Sie war weder besonders verführerisch noch gut angezogen, im Gegenteil, sie trug ausgewaschene Jeans und einen Rollkragenpullover, dennoch klopfte Martins Herz bis zum Hals. Er nahm ebenfalls Platz, und die Spannung im Raum war förmlich zu spüren.
„ Warum bist du hier?“ Michael ergriff das erste Mal seit ihrer Ankunft das Wort.
„ Wie gesagt, ich stehe auf dich … Und ich denke, du auch auf mich, oder nicht?“
Ihre Augen musterten ihn, und er spürte den Drang, sie zu küssen, doch noch traute er sich nicht.
„ Ich bin dein Lehrer. Ich darf es nicht soweit kommen lassen.“
„ Wir haben doch noch gar nichts gemacht. Wir unterhalten uns doch nur.“ Sie knotete ihre nassen Haare zu einem Pferdeschwanz.
„ Hast du eine Freundin?“
„ Nein, habe ich nicht.“
„ Dann ist ja gut.“ Sie kam auf ihn zu und strich ihm über das Gesicht. Langsam setzte sie sich auf ihn und küsste ihn – fordernd, leidenschaftlich. Er wusste nicht, was ihm geschah, doch er ging darauf ein – das sollte sein Untergang werden.
Als Isis nach Hause kam, schlief Marie bereits, das war gut. Isis war überrascht gewesen, wie zurückhaltend dieser Kerl war. Vor ein paar Tagen war der Hass noch überwältigend gewesen, doch nun hatten sich die Gefühle geändert. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, hatte er sich tausendmal entschuldigt. Es käme nie wieder vor, hatte er gesagt, obwohl es nicht seine Schuld war. Er hatte Angst. Doch genau das wollte sie ja, er sollte Angst bekommen. Es sollte ihre Rache werden. Warum kam sie plötzlich ins Grübeln? Was hatte sich nur geändert? Sie kuschelte sich an ihre kleine Schwester, die im Schlaf nach ihrem Arm griff. Sie liebten sich abgöttisch – Isis und Marie waren eine Einheit.
In der Schule am Mittwochmorgen war alles wie immer. Isis saß in der letzten Reihe und beachtete ihn nicht. Was hatte er denn erwartet? Dass sie zum Schulleiter lief? Oder Anzeige erstattete? Er wusste es selber nicht, doch die Angst der letzten Tage war zu stark gewesen. Schüler waren zu allem fähig – vorgetäuschte Vergewaltigung, Verleumdung, das alles hatte es schon oft gegeben. Er war erleichtert, dass sie so tat, als sei alles normal. Vielleicht würde alles wieder gut werden. Es war ein Ausrutscher gewesen. Er hatte ihr ja nichts getan, sie hatte es selbst gewollt.
Von nun an kam Isis jede Woche bei ihm vorbei, und seine Angst war fast verschwunden. Sie kochten zusammen, unterhielten sich und schliefen miteinander. Es war eine Beziehung, die sie hatten, jedenfalls dachte das Michael. Nach dem ersten Mal hatte er sie ignoriert, doch am Dienstag war sie dann wieder vor seiner Türe aufgetaucht und er ließ sie erneut herein. Er versuchte ihr zu erklären, dass es nicht ging, dass sie damit aufhören mussten, doch er blieb nicht standhaft. Er gab ihren Blicken, ihrem Drängen, ihrer Erotik nach, und es entwickelte sich mehr als nur eine Affäre – für ihn war es Liebe.
„ Was machst du eigentlich immer bei dem Kerl?“ Marie war schon die ganzen zwei Monate misstrauisch gewesen, doch nun wollte sie es endlich wissen.
„ Was denkst du schon, was ich mit ihm mache? Ich will herausfinden, warum er es getan hat.“
„ Was denkst du denn, dass du herausbekommst? Er ist ein Arschloch, und du lässt dich mit diesem Kerl ein. Du bist echt verrückt. Ich kenne dich nicht wieder.“
„ Halt du deinen Mund. Was weißt du schon? Du warst noch viel zu klein, um es zu begreifen?“
„ Ich war zu klein? Ich war genauso dabei wie du. Ich hasse dich.“
Marie rannte aus dem Zimmer, und schon bereute Isis den Streit. Ihre Schwester war die einzige Verwandte die ihr geblieben war, doch sie war noch zu klein, um alles richtig
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