Keine Angst vor Anakondas
Die Frage »Hast du Angst vor Spinnen?« kennt jeder, sie irritiert nicht.
In der Hitparade der unbeliebtesten Tiere rangieren die Spinnen ganz oben. Die krankhafte Angst vor Spinnen hat es in der Psychologie sogar zu einem eigenen Fachterminus geschafft: »Arachnophobie«.
Der Name für diese Phobie stammt aus der griechischen Mythologie. Arachne war eine talentierte lydische Weberin. Sie forderte die Göttin Athene, die auch Schutzgöttin der Spinner und Weber war, zu einem Wettstreit im Weben heraus. Hochmütig wob sie die Liebschaften der olympischen Götter in ihren Teppich ein. Diese blasphemische Tat machte Athene sehr wütend, und sie haute Arachne die Lade des Webstuhls um die Ohren. Zimperlich waren sie nicht, die Götter, zumal Athene auch die Göttin des Kampfes war. Als die fleißige Weberin ihren Hochmut erkannte, erhängte sie sich in ihrer Verzweiflung. Dies wiederum besänftigte das Herz der weisen Göttin Athene: Sie verwandelte den Strick in einen Spinnfaden und Arachne in eine Webspinne. Der Weberin blieb ein Leben am seidenen Faden, und ihr Name ist nicht nur mit der Angst vor Spinnen verknüpft, sondern bezeichnet auch die Wissenschaft der Spinnen, die Arachnologie.
Es ist schwer vorstellbar, dass bereits unsere Vorfahren, die noch in Höhlen lebten und gerade erst Feuer zur Verfügung hatten, panisch auf diese Achtbeiner reagierten. Beim Homo sapiens der westlichen Kultur von heute befindet sich das Image der Spinnen jedoch im Dauertief.
Was aber verursacht die heutigen negativen Gefühle bei den Begegnungen mit Spinnentieren, zu denen neben den Webspinnen auch Skorpione, Weberknechte, Walzenspinnen und Milben gehören? Wieso ertragen wir Szenen im Fernsehen, in denen Löwen Zebras reißen und ihre bluttriefenden Köpfe im Fleisch der Opfer suhlen, empfinden aber höchsten Widerwillen beim Jagdverhalten der Spinnen?
Als Hauptverdächtige kommen die Gifte der Spinnen infrage. Es gibt Spinnen, deren Bisse für Menschen tödlich sind. Als giftigste Spinne der Welt gilt die australische Trichternetzspinne. Ihr Biss kann schon nach Minuten eine tödliche Wirkung entfalten. Die Schwarzen Witwen sind die bekanntesten aus dieser wirklich gefährlichen Kategorie. Es muss an ihrem Namen liegen, dass diese Spinne ihre Berühmtheit erlangt hat, denn kaum jemand kann sie von anderen kleinen, dunklen Spinnen unterscheiden. Lediglich eine wenig beißfreudige Art der Schwarzen Witwen ist auf unserem Kontinent heimisch, wobei sie nur in Südeuropa vorkommt. Sie ist weit weniger gefährlich als die tropischen Arten der Schwarzen Witwen. In Italien wird der Biss der Schwarzen Witwe mit dem Stich einer Biene verglichen. Schmerzen, Fieber und vorübergehende Unbeweglichkeit der Gelenke sind möglich. Stärkere Giftwirkungen können durch allergische Reaktionen auftreten, die im Einzelfall auch einmal zum Tode führen mögen – so wie beim Stich einer Biene oder Wespe. Es soll aber wiederum Menschen geben, die 500 Bienenstiche überlebten. Das ist bei Spinnengiften nicht anders. Wenn Sie in Europa Urlaub machen, brauchen Sie die Giftigkeit der Spinnen nicht mehr zu fürchten als die Giftigkeit von Bienen und Wespen. Deutschlands bekannteste Spinne ist die Kreuzspinne. Ihr Biss soll zwacken, was sicher der Verletzung der Haut zuzuschreiben ist. Ein leichter Schmerz geht dann in ein Jucken über, das nach 15 Minuten wieder verschwindet. Das war es dann auch schon.
Keine Panik!
Seien Sie mal ehrlich: Aller Wahrscheinlichkeit nach kennen Sie niemanden, der von einer Spinne gebissen wurde, geschweige denn durch die Giftwirkung in Schwierigkeiten geriet. Von ungefähr 38 000 beschriebenen Spinnenarten weltweit sind es nur etwas über 30 Arten, deren Gift dem Menschen ernsthaft gefährlich werden kann. Unsere Spinnen können zwacken, ihre Gifte aber sind harmlos und werden völlig überschätzt. Giftig sind sie fast alle, die einen mehr, die anderen weniger. In der Regel reicht die Dosis, nachdem das Gift durch die beweglichen Klauen injiziert wurde, gerade mal aus, um ein Insekt zu lähmen. Spinnen spielen in der hiesigen Pathologie keine Rolle, es sei denn, sie sind in einer Bananenstaude oder Ähnlichem nach Deutschland eingeschleppt worden. Für den Fall der Fälle stehen Seren zur Verfügung, die den gängigen Spinnengiften entgegenwirken.
Neben den Spinnen haben viele Menschen Abscheu vor Mäusen und Ratten. Dies ist zumindest halbwegs zu begründen: Ratten können kräftig zubeißen. Selbst Mäuse können
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